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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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nicht entgehn, daß in dem nächstfolgenden eigentlich nur
ein besonderer, und nichts weniger als genau begränzter,
Zustand des Menschen geschildert wird, nach dem Gesammt-
Eindruck, welchen diejenigen Menschen, die wir, sehr unbe-
stimmt, Gebildete nennen, auf uns gemacht haben. Das
Höchst-Schwankende dieses Gesammt-Eindrucks läßt sich
nicht vermeiden. Es giebt keine allgemeinen Thatsachen;
die ächten psychologischen Facta liegen in den augenblicklichen
Zuständen der Jndividuen; diese sind unermeßlich weit ent-
fernt von der Höhe des allgemeinen Begriffs: Mensch
überhaupt
.

55. Die eben erwähnte Vergleichung zwischen Mensch
und Thier veranlaßt nun die erste Scheidung in dem für
ursprünglich gehaltenen Mannigfaltigen. Jn wiefern der
Mensch sich aber das Thier auffallend erhebt, schreibt man
ihm obere Vermögen zu; in wiefern er den Thieren
gleicht, legt man ihm niedere Vermögen bey.

Diese Eintheilung durchkreuzt die schon oben erwähnte,
nach dem Vorstellen, Fühlen und Begehren, in eben
so viele Vermögen.

Als Hülfsmittel zur Übersicht der empirischen Psycho-
logie sind beyde Eintheilungen gleich brauchbar, und wir
werden uns beyder bedienen.

56. Da in der Psychologie alles in einander fließt, so
wollen wir, um das obere und untere Vermögen weiter
einzutheilen, nicht bey der, sehr zweydeutigen, Gränzlinie
zwischen beyden, anfangen, sondern fürs erste die entfernte-
sten Enden einander gegenüber stellen. Es wird nämlich
die Sinnlichkeit für das unterste, die Vernunft für das
oberste im menschlichen Geiste angenommen. Beyde sehn
einander darin ähnlich, daß sie in mehrern Gliedern der
zweyten Eintheilung vorkommen. Man spricht von einem

nicht entgehn, daß in dem nächstfolgenden eigentlich nur
ein besonderer, und nichts weniger als genau begränzter,
Zustand des Menschen geschildert wird, nach dem Gesammt-
Eindruck, welchen diejenigen Menschen, die wir, sehr unbe-
stimmt, Gebildete nennen, auf uns gemacht haben. Das
Höchst-Schwankende dieses Gesammt-Eindrucks läßt sich
nicht vermeiden. Es giebt keine allgemeinen Thatsachen;
die ächten psychologischen Facta liegen in den augenblicklichen
Zuständen der Jndividuen; diese sind unermeßlich weit ent-
fernt von der Höhe des allgemeinen Begriffs: Mensch
überhaupt
.

55. Die eben erwähnte Vergleichung zwischen Mensch
und Thier veranlaßt nun die erste Scheidung in dem für
ursprünglich gehaltenen Mannigfaltigen. Jn wiefern der
Mensch sich aber das Thier auffallend erhebt, schreibt man
ihm obere Vermögen zu; in wiefern er den Thieren
gleicht, legt man ihm niedere Vermögen bey.

Diese Eintheilung durchkreuzt die schon oben erwähnte,
nach dem Vorstellen, Fühlen und Begehren, in eben
so viele Vermögen.

Als Hülfsmittel zur Übersicht der empirischen Psycho-
logie sind beyde Eintheilungen gleich brauchbar, und wir
werden uns beyder bedienen.

56. Da in der Psychologie alles in einander fließt, so
wollen wir, um das obere und untere Vermögen weiter
einzutheilen, nicht bey der, sehr zweydeutigen, Gränzlinie
zwischen beyden, anfangen, sondern fürs erste die entfernte-
sten Enden einander gegenüber stellen. Es wird nämlich
die Sinnlichkeit für das unterste, die Vernunft für das
oberste im menschlichen Geiste angenommen. Beyde sehn
einander darin ähnlich, daß sie in mehrern Gliedern der
zweyten Eintheilung vorkommen. Man spricht von einem

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[39/0047] nicht entgehn, daß in dem nächstfolgenden eigentlich nur ein besonderer, und nichts weniger als genau begränzter, Zustand des Menschen geschildert wird, nach dem Gesammt- Eindruck, welchen diejenigen Menschen, die wir, sehr unbe- stimmt, Gebildete nennen, auf uns gemacht haben. Das Höchst-Schwankende dieses Gesammt-Eindrucks läßt sich nicht vermeiden. Es giebt keine allgemeinen Thatsachen; die ächten psychologischen Facta liegen in den augenblicklichen Zuständen der Jndividuen; diese sind unermeßlich weit ent- fernt von der Höhe des allgemeinen Begriffs: Mensch überhaupt. 55. Die eben erwähnte Vergleichung zwischen Mensch und Thier veranlaßt nun die erste Scheidung in dem für ursprünglich gehaltenen Mannigfaltigen. Jn wiefern der Mensch sich aber das Thier auffallend erhebt, schreibt man ihm obere Vermögen zu; in wiefern er den Thieren gleicht, legt man ihm niedere Vermögen bey. Diese Eintheilung durchkreuzt die schon oben erwähnte, nach dem Vorstellen, Fühlen und Begehren, in eben so viele Vermögen. Als Hülfsmittel zur Übersicht der empirischen Psycho- logie sind beyde Eintheilungen gleich brauchbar, und wir werden uns beyder bedienen. 56. Da in der Psychologie alles in einander fließt, so wollen wir, um das obere und untere Vermögen weiter einzutheilen, nicht bey der, sehr zweydeutigen, Gränzlinie zwischen beyden, anfangen, sondern fürs erste die entfernte- sten Enden einander gegenüber stellen. Es wird nämlich die Sinnlichkeit für das unterste, die Vernunft für das oberste im menschlichen Geiste angenommen. Beyde sehn einander darin ähnlich, daß sie in mehrern Gliedern der zweyten Eintheilung vorkommen. Man spricht von einem

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/47>, abgerufen am 30.04.2024.