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Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773.

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Fehler der Regenten, falsche oder gute Maaß-
regeln, Handel, Geld, Städte, Dienst, Adel,
Sprachen, Meynungen, Kriege und Ver-
bindungen auf jenen Körper und auf dessen
Ehre und Eigenthum gehabt; die Wendun-
gen, welche die gesetzgebende Macht, oder die
Staatseinrichtung überhaupt bey diesen Ein-
flüssen von Zeit zu Zeit genommen; die Art,
wie sich Menschen, Rechte und Begriffe al-
mählich gebildet; die wunderbaren Engen und
Krümmungen, wodurch der menschliche Harg
die Territorialhoheit empor getrieben und die
glückliche Mäßigung, welche das Christer-
thum, das deutsche Herz, und eine der Frey-
heit günstige Sittenlehre gewürket hat, würde
sich, wie ich glaube, solchergestalt in ein voll-
kommenes fortgehendes Gemählde bringen
lassen und diesem eine solche Füllung geben,
daß der Historienmahler alle überflüßige
Grouppen entbehren könnte.

Diese Geschichte würde vier Hauptperioden
haben. Jn der ersten und güldnen war noch
mehrentheils jeder deutscher Ackerhof mit ei-
nem Eigenthümer oder Wehren besetzt; kein
Knecht oder Leut auf dem Heerbannsgute ge-
festet; alle Freyheit, als eine schimpfliche
Ausnahme von der gemeinsamen Vertheidi-
gung verhaßt; nichts als hohe und gemeine
Ehre in der Nation bekannt; niemand ausser

dem

Fehler der Regenten, falſche oder gute Maaß-
regeln, Handel, Geld, Staͤdte, Dienſt, Adel,
Sprachen, Meynungen, Kriege und Ver-
bindungen auf jenen Koͤrper und auf deſſen
Ehre und Eigenthum gehabt; die Wendun-
gen, welche die geſetzgebende Macht, oder die
Staatseinrichtung uͤberhaupt bey dieſen Ein-
fluͤſſen von Zeit zu Zeit genommen; die Art,
wie ſich Menſchen, Rechte und Begriffe al-
maͤhlich gebildet; die wunderbaren Engen und
Kruͤmmungen, wodurch der menſchliche Harg
die Territorialhoheit empor getrieben und die
gluͤckliche Maͤßigung, welche das Chriſter-
thum, das deutſche Herz, und eine der Frey-
heit guͤnſtige Sittenlehre gewuͤrket hat, wuͤrde
ſich, wie ich glaube, ſolchergeſtalt in ein voll-
kommenes fortgehendes Gemaͤhlde bringen
laſſen und dieſem eine ſolche Fuͤllung geben,
daß der Hiſtorienmahler alle uͤberfluͤßige
Grouppen entbehren koͤnnte.

Dieſe Geſchichte wuͤrde vier Hauptperioden
haben. Jn der erſten und guͤldnen war noch
mehrentheils jeder deutſcher Ackerhof mit ei-
nem Eigenthuͤmer oder Wehren beſetzt; kein
Knecht oder Leut auf dem Heerbannsgute ge-
feſtet; alle Freyheit, als eine ſchimpfliche
Ausnahme von der gemeinſamen Vertheidi-
gung verhaßt; nichts als hohe und gemeine
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[166/0170] Fehler der Regenten, falſche oder gute Maaß- regeln, Handel, Geld, Staͤdte, Dienſt, Adel, Sprachen, Meynungen, Kriege und Ver- bindungen auf jenen Koͤrper und auf deſſen Ehre und Eigenthum gehabt; die Wendun- gen, welche die geſetzgebende Macht, oder die Staatseinrichtung uͤberhaupt bey dieſen Ein- fluͤſſen von Zeit zu Zeit genommen; die Art, wie ſich Menſchen, Rechte und Begriffe al- maͤhlich gebildet; die wunderbaren Engen und Kruͤmmungen, wodurch der menſchliche Harg die Territorialhoheit empor getrieben und die gluͤckliche Maͤßigung, welche das Chriſter- thum, das deutſche Herz, und eine der Frey- heit guͤnſtige Sittenlehre gewuͤrket hat, wuͤrde ſich, wie ich glaube, ſolchergeſtalt in ein voll- kommenes fortgehendes Gemaͤhlde bringen laſſen und dieſem eine ſolche Fuͤllung geben, daß der Hiſtorienmahler alle uͤberfluͤßige Grouppen entbehren koͤnnte. Dieſe Geſchichte wuͤrde vier Hauptperioden haben. Jn der erſten und guͤldnen war noch mehrentheils jeder deutſcher Ackerhof mit ei- nem Eigenthuͤmer oder Wehren beſetzt; kein Knecht oder Leut auf dem Heerbannsgute ge- feſtet; alle Freyheit, als eine ſchimpfliche Ausnahme von der gemeinſamen Vertheidi- gung verhaßt; nichts als hohe und gemeine Ehre in der Nation bekannt; niemand auſſer dem

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Von Deutscher Art und Kunst. Hamburg, 1773, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_artundkunst_1773/170>, abgerufen am 02.05.2024.