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Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785.

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Sinne frisch, ihre Beine munter; nur ihre Seele ist
ermattet durch Knechtschaft.

Jn der Mitte von Amerika, wo von nasser Hitze alles
erliegt und die Europäer das elendeste Leben führen, erlag
doch die biegsame Natur der Amerikaner nicht. Waffera),
der den Seeräubern entflohen, sich eine Zeitlang unter den
Wilden in Terra firma aufhielt, beschreibt seine gute Auf-
nahme unter ihnen, nebst ihrer Gestalt und Lebensweise also:
"Die Größe der Männer war 5 bis 6 Fuß, von starken
Knochen, breiter Brust, schönem Verhältniß: kein Krüp-
pel und Unförmlicher war unter ihnen. Sie sind geschmei-
dig, lebhaft und schnelle Läufer. Jhre Augen lebhaftgrau,
ihr Gesicht rund, die Lippen dünn, der Mund klein, das
Kinn wohlgebildet. Jhr Haar ist lang und schwarz: das
Kämmen desselben ist ihr öfteres Vergnügen. Jhre Zähne
sind weiß und wohlgesetzt: sie schmücken und mahlen sich
wie die meisten Jndianer." -- Sind das die Leute, die
man uns als ein entnervtes, unreifes Gewächs der Mensch-
heit hat vorstellen wollen? und diese wohnten in der entner-
vendsten Gegend des Jsthmus.

Fermin, ein treuer Naturforscher, beschreibt die Jndier
in Surinam, als wohlgebildete und so reinliche Menschen,

als
a) Allgem. Reisen Th. 15. S. 263. u. f.
H 3

Sinne friſch, ihre Beine munter; nur ihre Seele iſt
ermattet durch Knechtſchaft.

Jn der Mitte von Amerika, wo von naſſer Hitze alles
erliegt und die Europaͤer das elendeſte Leben fuͤhren, erlag
doch die biegſame Natur der Amerikaner nicht. Waffera),
der den Seeraͤubern entflohen, ſich eine Zeitlang unter den
Wilden in Terra firma aufhielt, beſchreibt ſeine gute Auf-
nahme unter ihnen, nebſt ihrer Geſtalt und Lebensweiſe alſo:
„Die Groͤße der Maͤnner war 5 bis 6 Fuß, von ſtarken
Knochen, breiter Bruſt, ſchoͤnem Verhaͤltniß: kein Kruͤp-
pel und Unfoͤrmlicher war unter ihnen. Sie ſind geſchmei-
dig, lebhaft und ſchnelle Laͤufer. Jhre Augen lebhaftgrau,
ihr Geſicht rund, die Lippen duͤnn, der Mund klein, das
Kinn wohlgebildet. Jhr Haar iſt lang und ſchwarz: das
Kaͤmmen deſſelben iſt ihr oͤfteres Vergnuͤgen. Jhre Zaͤhne
ſind weiß und wohlgeſetzt: ſie ſchmuͤcken und mahlen ſich
wie die meiſten Jndianer.“ — Sind das die Leute, die
man uns als ein entnervtes, unreifes Gewaͤchs der Menſch-
heit hat vorſtellen wollen? und dieſe wohnten in der entner-
vendſten Gegend des Jſthmus.

Fermin, ein treuer Naturforſcher, beſchreibt die Jndier
in Surinam, als wohlgebildete und ſo reinliche Menſchen,

als
a) Allgem. Reiſen Th. 15. S. 263. u. f.
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[61/0073] Sinne friſch, ihre Beine munter; nur ihre Seele iſt ermattet durch Knechtſchaft. Jn der Mitte von Amerika, wo von naſſer Hitze alles erliegt und die Europaͤer das elendeſte Leben fuͤhren, erlag doch die biegſame Natur der Amerikaner nicht. Waffer a), der den Seeraͤubern entflohen, ſich eine Zeitlang unter den Wilden in Terra firma aufhielt, beſchreibt ſeine gute Auf- nahme unter ihnen, nebſt ihrer Geſtalt und Lebensweiſe alſo: „Die Groͤße der Maͤnner war 5 bis 6 Fuß, von ſtarken Knochen, breiter Bruſt, ſchoͤnem Verhaͤltniß: kein Kruͤp- pel und Unfoͤrmlicher war unter ihnen. Sie ſind geſchmei- dig, lebhaft und ſchnelle Laͤufer. Jhre Augen lebhaftgrau, ihr Geſicht rund, die Lippen duͤnn, der Mund klein, das Kinn wohlgebildet. Jhr Haar iſt lang und ſchwarz: das Kaͤmmen deſſelben iſt ihr oͤfteres Vergnuͤgen. Jhre Zaͤhne ſind weiß und wohlgeſetzt: ſie ſchmuͤcken und mahlen ſich wie die meiſten Jndianer.“ — Sind das die Leute, die man uns als ein entnervtes, unreifes Gewaͤchs der Menſch- heit hat vorſtellen wollen? und dieſe wohnten in der entner- vendſten Gegend des Jſthmus. Fermin, ein treuer Naturforſcher, beſchreibt die Jndier in Surinam, als wohlgebildete und ſo reinliche Menſchen, als a) Allgem. Reiſen Th. 15. S. 263. u. f. H 3

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit. Bd. 2. Riga u. a., 1785, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_geschichte02_1785/73>, abgerufen am 03.05.2024.