Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

In die Zeiten Griechenlands oder Roms
sich zurückwünschen, wäre thöricht; diese
Jugend der Welt, so wie auch das eiser-
ne Alter der Zeiten unter Roms Herr-
schaft ist vorüber; schwerlich dürften wir,
wenn auch ein Tausch möglich wäre, in
dem was wir eigentlich begehren, bei dem
Tausche gewinnen. Sparta's Vaterlands-
eifer drückte nicht nur die Heloten, sondern
die Bürger selbst und mit der Zeit andre
Griechen. Athen fiel seinen Bürgern und
Colonien oft hart; es wollte mit süßen
Phantomen getäuscht seyn. Die Römische
Vaterlandsliebe endlich ward nicht für
Italien allein, sondern für Rom selbst
und die gesammte Römerwelt verderblich.
Wir wollen also aufsuchen, was Wir
am Vaterlande achten und lieben müs-
sen, damit wir es würdig und rein lie-
ben.


In die Zeiten Griechenlands oder Roms
ſich zuruͤckwuͤnſchen, waͤre thoͤricht; dieſe
Jugend der Welt, ſo wie auch das eiſer-
ne Alter der Zeiten unter Roms Herr-
ſchaft iſt voruͤber; ſchwerlich duͤrften wir,
wenn auch ein Tauſch moͤglich waͤre, in
dem was wir eigentlich begehren, bei dem
Tauſche gewinnen. Sparta's Vaterlands-
eifer druͤckte nicht nur die Heloten, ſondern
die Buͤrger ſelbſt und mit der Zeit andre
Griechen. Athen fiel ſeinen Buͤrgern und
Colonien oft hart; es wollte mit ſuͤßen
Phantomen getaͤuſcht ſeyn. Die Roͤmiſche
Vaterlandsliebe endlich ward nicht fuͤr
Italien allein, ſondern fuͤr Rom ſelbſt
und die geſammte Roͤmerwelt verderblich.
Wir wollen alſo aufſuchen, was Wir
am Vaterlande achten und lieben muͤſ-
ſen, damit wir es wuͤrdig und rein lie-
ben.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0148" n="133"/>
          <p>In die Zeiten Griechenlands oder Roms<lb/>
&#x017F;ich zuru&#x0364;ckwu&#x0364;n&#x017F;chen, wa&#x0364;re tho&#x0364;richt; die&#x017F;e<lb/>
Jugend der Welt, &#x017F;o wie auch das ei&#x017F;er-<lb/>
ne Alter der Zeiten unter Roms Herr-<lb/>
&#x017F;chaft i&#x017F;t voru&#x0364;ber; &#x017F;chwerlich du&#x0364;rften wir,<lb/>
wenn auch ein Tau&#x017F;ch mo&#x0364;glich wa&#x0364;re, in<lb/>
dem was wir eigentlich begehren, bei dem<lb/>
Tau&#x017F;che gewinnen. Sparta's Vaterlands-<lb/>
eifer dru&#x0364;ckte nicht nur die Heloten, &#x017F;ondern<lb/>
die Bu&#x0364;rger &#x017F;elb&#x017F;t und mit der Zeit andre<lb/>
Griechen. Athen fiel &#x017F;einen Bu&#x0364;rgern und<lb/>
Colonien oft hart; es wollte mit &#x017F;u&#x0364;ßen<lb/>
Phantomen geta&#x0364;u&#x017F;cht &#x017F;eyn. Die Ro&#x0364;mi&#x017F;che<lb/>
Vaterlandsliebe endlich ward nicht fu&#x0364;r<lb/>
Italien allein, &#x017F;ondern fu&#x0364;r Rom &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
und die ge&#x017F;ammte Ro&#x0364;merwelt verderblich.<lb/>
Wir wollen al&#x017F;o auf&#x017F;uchen, was <hi rendition="#g">Wir</hi><lb/>
am Vaterlande achten und lieben mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, damit wir es wu&#x0364;rdig und rein lie-<lb/>
ben.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[133/0148] In die Zeiten Griechenlands oder Roms ſich zuruͤckwuͤnſchen, waͤre thoͤricht; dieſe Jugend der Welt, ſo wie auch das eiſer- ne Alter der Zeiten unter Roms Herr- ſchaft iſt voruͤber; ſchwerlich duͤrften wir, wenn auch ein Tauſch moͤglich waͤre, in dem was wir eigentlich begehren, bei dem Tauſche gewinnen. Sparta's Vaterlands- eifer druͤckte nicht nur die Heloten, ſondern die Buͤrger ſelbſt und mit der Zeit andre Griechen. Athen fiel ſeinen Buͤrgern und Colonien oft hart; es wollte mit ſuͤßen Phantomen getaͤuſcht ſeyn. Die Roͤmiſche Vaterlandsliebe endlich ward nicht fuͤr Italien allein, ſondern fuͤr Rom ſelbſt und die geſammte Roͤmerwelt verderblich. Wir wollen alſo aufſuchen, was Wir am Vaterlande achten und lieben muͤſ- ſen, damit wir es wuͤrdig und rein lie- ben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/148
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/148>, abgerufen am 03.05.2024.