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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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terlande sich, wie die Geschichte zeigt,
dingen gegen einander; der Freund stritt
gegen den Freund, der Bruder gegen den
Bruder; das Vaterland ward zerrüttet und
blieb verwaiset. Sollte also ausser der
Tapfer- und Ehrlichkeit unserm Vaterlan-
de nicht noch etwas anders noth seyn?
Licht, Aufklärung, Gemeinsinn; edler
Stolz, sich nicht von andern einrichten
zu lassen, sondern sich selbst einzurichten,
wie andre Nationen es von jeher thaten;
Deutsche zu seyn auf eignem wohlbe-
schützten Grund' und Boden.

4. Der Ruhm eines Vaterlandes kann
zu unsrer Zeit schwerlich mehr jener wilde
Eroberungsgeist seyn, der die Ge-
schichte Roms und der Barbaren, ja man-
cher stolzen Monarchieen wie ein böser
Dämon durchstürmte. Was wäre es für
eine Mutter, die (eine zweite ärgere Me-

terlande ſich, wie die Geſchichte zeigt,
dingen gegen einander; der Freund ſtritt
gegen den Freund, der Bruder gegen den
Bruder; das Vaterland ward zerruͤttet und
blieb verwaiſet. Sollte alſo auſſer der
Tapfer- und Ehrlichkeit unſerm Vaterlan-
de nicht noch etwas anders noth ſeyn?
Licht, Aufklaͤrung, Gemeinſinn; edler
Stolz, ſich nicht von andern einrichten
zu laſſen, ſondern ſich ſelbſt einzurichten,
wie andre Nationen es von jeher thaten;
Deutſche zu ſeyn auf eignem wohlbe-
ſchuͤtzten Grund' und Boden.

4. Der Ruhm eines Vaterlandes kann
zu unſrer Zeit ſchwerlich mehr jener wilde
Eroberungsgeiſt ſeyn, der die Ge-
ſchichte Roms und der Barbaren, ja man-
cher ſtolzen Monarchieen wie ein boͤſer
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[142/0157] terlande ſich, wie die Geſchichte zeigt, dingen gegen einander; der Freund ſtritt gegen den Freund, der Bruder gegen den Bruder; das Vaterland ward zerruͤttet und blieb verwaiſet. Sollte alſo auſſer der Tapfer- und Ehrlichkeit unſerm Vaterlan- de nicht noch etwas anders noth ſeyn? Licht, Aufklaͤrung, Gemeinſinn; edler Stolz, ſich nicht von andern einrichten zu laſſen, ſondern ſich ſelbſt einzurichten, wie andre Nationen es von jeher thaten; Deutſche zu ſeyn auf eignem wohlbe- ſchuͤtzten Grund' und Boden. 4. Der Ruhm eines Vaterlandes kann zu unſrer Zeit ſchwerlich mehr jener wilde Eroberungsgeiſt ſeyn, der die Ge- ſchichte Roms und der Barbaren, ja man- cher ſtolzen Monarchieen wie ein boͤſer Daͤmon durchſtuͤrmte. Was waͤre es fuͤr eine Mutter, die (eine zweite aͤrgere Me-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/157>, abgerufen am 29.04.2024.