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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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Schmuck, du wider deinen eigenen Wil-
len eingezwängte Matrone, und sei, was
du seyn kannst und ehemals warest, eine
Sprache der Vernunft, der Kraft und
Wahrheit. Ihr Väter des Vaterlandes,
ehret sie, ehret die Gaben, die sie, unauf-
gefordert und unbelohnt, und dennoch
nicht unrühmlich darbrachte. Soll jede
Kunst und Thätigkeit, durch welche man-
cher dem Vaterlande gern zu Hülfe kom-
men möchte, sich erst wie jener verlohrne
Sohn ausserhalb Landes vermiethen, und
die Frucht seines Fleisses oder Geistes ei-
ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr
solche von da aus zu empfangen die Ehre
haben möget? Mich dünkt, ich sehe eine
Zeit kommen --

Doch lasset uns nicht prophezeien, son-
dern hinter Allem nur bemerken, daß
jedes Vaterland schon mit seinem süßen

Schmuck, du wider deinen eigenen Wil-
len eingezwaͤngte Matrone, und ſei, was
du ſeyn kannſt und ehemals wareſt, eine
Sprache der Vernunft, der Kraft und
Wahrheit. Ihr Vaͤter des Vaterlandes,
ehret ſie, ehret die Gaben, die ſie, unauf-
gefordert und unbelohnt, und dennoch
nicht unruͤhmlich darbrachte. Soll jede
Kunſt und Thaͤtigkeit, durch welche man-
cher dem Vaterlande gern zu Huͤlfe kom-
men moͤchte, ſich erſt wie jener verlohrne
Sohn auſſerhalb Landes vermiethen, und
die Frucht ſeines Fleiſſes oder Geiſtes ei-
ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr
ſolche von da aus zu empfangen die Ehre
haben moͤget? Mich duͤnkt, ich ſehe eine
Zeit kommen —

Doch laſſet uns nicht prophezeien, ſon-
dern hinter Allem nur bemerken, daß
jedes Vaterland ſchon mit ſeinem ſuͤßen

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[146/0161] Schmuck, du wider deinen eigenen Wil- len eingezwaͤngte Matrone, und ſei, was du ſeyn kannſt und ehemals wareſt, eine Sprache der Vernunft, der Kraft und Wahrheit. Ihr Vaͤter des Vaterlandes, ehret ſie, ehret die Gaben, die ſie, unauf- gefordert und unbelohnt, und dennoch nicht unruͤhmlich darbrachte. Soll jede Kunſt und Thaͤtigkeit, durch welche man- cher dem Vaterlande gern zu Huͤlfe kom- men moͤchte, ſich erſt wie jener verlohrne Sohn auſſerhalb Landes vermiethen, und die Frucht ſeines Fleiſſes oder Geiſtes ei- ner fremden Hand anvertrauen, damit ihr ſolche von da aus zu empfangen die Ehre haben moͤget? Mich duͤnkt, ich ſehe eine Zeit kommen — Doch laſſet uns nicht prophezeien, ſon- dern hinter Allem nur bemerken, daß jedes Vaterland ſchon mit ſeinem ſuͤßen

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/161>, abgerufen am 29.04.2024.