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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795.

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jede feierliche Religions- und Staats-
handlung. So ward ein Publicum der
Griechen
für Poesie; bald auch für Pro-
se. Herodot las seine Geschichte dem
versammleten Griechenlande, wie so viele
Dichter vor ihm ihre Gedichte größeren
oder kleineren Kreisen gesungen hatten:
denn selbst die Gastmahle der Griechen
hatten eine Art frölicher Publicität, und
waren nicht ohne Musen. Auf diesem
Wege entstand das Griechische Schau-
spiel, das allen seinen Theilen nach ein
Publicum voraussetzte, und ein Publicum
vergnügte. Auf diesem Wege gelangte die
Griechische Kunst zu ihrer Höhe: die Mu-
se, die dem Künstler seine reinen, hohen
Ideen eingab, hatte sich auch Gelegenhei-
ten, Oerter und Plätze geheiligt, wo sie
solche mit Würde zeigen und einem dazu
gestimmten Volk sichtbar machen konnte.

jede feierliche Religions- und Staats-
handlung. So ward ein Publicum der
Griechen
fuͤr Poeſie; bald auch fuͤr Pro-
ſe. Herodot las ſeine Geſchichte dem
verſammleten Griechenlande, wie ſo viele
Dichter vor ihm ihre Gedichte groͤßeren
oder kleineren Kreiſen geſungen hatten:
denn ſelbſt die Gaſtmahle der Griechen
hatten eine Art froͤlicher Publicitaͤt, und
waren nicht ohne Muſen. Auf dieſem
Wege entſtand das Griechiſche Schau-
ſpiel, das allen ſeinen Theilen nach ein
Publicum vorausſetzte, und ein Publicum
vergnuͤgte. Auf dieſem Wege gelangte die
Griechiſche Kunſt zu ihrer Hoͤhe: die Mu-
ſe, die dem Kuͤnſtler ſeine reinen, hohen
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[68/0083] jede feierliche Religions- und Staats- handlung. So ward ein Publicum der Griechen fuͤr Poeſie; bald auch fuͤr Pro- ſe. Herodot las ſeine Geſchichte dem verſammleten Griechenlande, wie ſo viele Dichter vor ihm ihre Gedichte groͤßeren oder kleineren Kreiſen geſungen hatten: denn ſelbſt die Gaſtmahle der Griechen hatten eine Art froͤlicher Publicitaͤt, und waren nicht ohne Muſen. Auf dieſem Wege entſtand das Griechiſche Schau- ſpiel, das allen ſeinen Theilen nach ein Publicum vorausſetzte, und ein Publicum vergnuͤgte. Auf dieſem Wege gelangte die Griechiſche Kunſt zu ihrer Hoͤhe: die Mu- ſe, die dem Kuͤnſtler ſeine reinen, hohen Ideen eingab, hatte ſich auch Gelegenhei- ten, Oerter und Plaͤtze geheiligt, wo ſie ſolche mit Wuͤrde zeigen und einem dazu geſtimmten Volk ſichtbar machen konnte.

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 5. Riga, 1795, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet05_1795/83>, abgerufen am 01.05.2024.