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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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unsrer Mitte hervorbrach, und uns nach
vielem andern Ungemach mit dem dreissig-
jährigen Kriege eine fast allgemeine Ver-
wüstung und die so gefährliche Bekannt-
schaft mit fremden Nationen auf den Hals
zog; -- müssen wir, wenn wir die Ge-
schichte Deutschlands durchgehn, uns nicht
wundern, daß noch so viel ward, als ge-
worden ist?

Denn nun reiseten die Fürsten, die
Edeln. Sie staunten das Ausland an,
und sprachen, lasen, schrieben fremde Spra-
chen. Und unsre gutherzigen Dichter freue-
ten sich jeder neuen Sonne, die aufging,
fanden sich geehrt, wenn sie Gesänge auch
nur zueignen durften, ohne daß sie ge-
lesen wurden. In Siebenbürgen dichtete
der gute Opitz, Weckherlin in Eng-
land und Frankreich, Flemming am
Caspischen Meer Deutsche Gedichte; nie-

unſrer Mitte hervorbrach, und uns nach
vielem andern Ungemach mit dem dreiſſig-
jaͤhrigen Kriege eine faſt allgemeine Ver-
wuͤſtung und die ſo gefaͤhrliche Bekannt-
ſchaft mit fremden Nationen auf den Hals
zog; — muͤſſen wir, wenn wir die Ge-
ſchichte Deutſchlands durchgehn, uns nicht
wundern, daß noch ſo viel ward, als ge-
worden iſt?

Denn nun reiſeten die Fuͤrſten, die
Edeln. Sie ſtaunten das Ausland an,
und ſprachen, laſen, ſchrieben fremde Spra-
chen. Und unſre gutherzigen Dichter freue-
ten ſich jeder neuen Sonne, die aufging,
fanden ſich geehrt, wenn ſie Geſaͤnge auch
nur zueignen durften, ohne daß ſie ge-
leſen wurden. In Siebenbuͤrgen dichtete
der gute Opitz, Weckherlin in Eng-
land und Frankreich, Flemming am
Caſpiſchen Meer Deutſche Gedichte; nie-

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[111/0130] unſrer Mitte hervorbrach, und uns nach vielem andern Ungemach mit dem dreiſſig- jaͤhrigen Kriege eine faſt allgemeine Ver- wuͤſtung und die ſo gefaͤhrliche Bekannt- ſchaft mit fremden Nationen auf den Hals zog; — muͤſſen wir, wenn wir die Ge- ſchichte Deutſchlands durchgehn, uns nicht wundern, daß noch ſo viel ward, als ge- worden iſt? Denn nun reiſeten die Fuͤrſten, die Edeln. Sie ſtaunten das Ausland an, und ſprachen, laſen, ſchrieben fremde Spra- chen. Und unſre gutherzigen Dichter freue- ten ſich jeder neuen Sonne, die aufging, fanden ſich geehrt, wenn ſie Geſaͤnge auch nur zueignen durften, ohne daß ſie ge- leſen wurden. In Siebenbuͤrgen dichtete der gute Opitz, Weckherlin in Eng- land und Frankreich, Flemming am Caſpiſchen Meer Deutſche Gedichte; nie-

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/130>, abgerufen am 29.04.2024.