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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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Pyra werther, als hundert schreibselige
Namen späterer Zeiten.

Kleist kommt; und wer verkennete an
ihm sein Deutsches Herz, seinen edeln
Charakter? Als Künstler der Poesie, dazu
in mancherlei Arten, möchte ich lieber
Thomson seyn, Thomson insonderheit
seit er Italien gesehen hatte; aber als
Mensch und Dichter gilt es keine Frage.
Kleists Herz lebt in seinen Gedichten, in
seinem Frühlinge, in mehreren seiner
Oden, in seinem Geburts- und Gra-
besliede, in seiner Sehnsucht nach
Ruhe
, in Cißides und Paches. Nach
seinem Seneka wollen wir ihn nicht
messen; aber den edlen Geist, das patrio-
tisch-menschliche Gemüth, das mitten un-
ter Kriegesscenen in diese kleinen Gedichte
wie in ein Asylum floh und jetzt darinn,
wie in einer zerstückten Urne sein ewiges

Pyra werther, als hundert ſchreibſelige
Namen ſpaͤterer Zeiten.

Kleiſt kommt; und wer verkennete an
ihm ſein Deutſches Herz, ſeinen edeln
Charakter? Als Kuͤnſtler der Poeſie, dazu
in mancherlei Arten, moͤchte ich lieber
Thomſon ſeyn, Thomſon inſonderheit
ſeit er Italien geſehen hatte; aber als
Menſch und Dichter gilt es keine Frage.
Kleiſts Herz lebt in ſeinen Gedichten, in
ſeinem Fruͤhlinge, in mehreren ſeiner
Oden, in ſeinem Geburts- und Gra-
besliede, in ſeiner Sehnſucht nach
Ruhe
, in Cißides und Paches. Nach
ſeinem Seneka wollen wir ihn nicht
meſſen; aber den edlen Geiſt, das patrio-
tiſch-menſchliche Gemuͤth, das mitten un-
ter Kriegesſcenen in dieſe kleinen Gedichte
wie in ein Aſylum floh und jetzt darinn,
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[125/0144] Pyra werther, als hundert ſchreibſelige Namen ſpaͤterer Zeiten. Kleiſt kommt; und wer verkennete an ihm ſein Deutſches Herz, ſeinen edeln Charakter? Als Kuͤnſtler der Poeſie, dazu in mancherlei Arten, moͤchte ich lieber Thomſon ſeyn, Thomſon inſonderheit ſeit er Italien geſehen hatte; aber als Menſch und Dichter gilt es keine Frage. Kleiſts Herz lebt in ſeinen Gedichten, in ſeinem Fruͤhlinge, in mehreren ſeiner Oden, in ſeinem Geburts- und Gra- besliede, in ſeiner Sehnſucht nach Ruhe, in Cißides und Paches. Nach ſeinem Seneka wollen wir ihn nicht meſſen; aber den edlen Geiſt, das patrio- tiſch-menſchliche Gemuͤth, das mitten un- ter Kriegesſcenen in dieſe kleinen Gedichte wie in ein Aſylum floh und jetzt darinn, wie in einer zerſtuͤckten Urne ſein ewiges

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/144>, abgerufen am 29.04.2024.