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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796.

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vermöge der eindringenden Rede, die das
Object, das sie mahlt, oder darstellt, auf
einen geistigen, moralischen, gleich-
sam unendlichen Grund, ins Gemüth,
in die Seele mahlet.

Sollte also nicht auch bei dieser, wie
bei allen Reihen fortgesetzter Naturwir-
kungen ein Fortgang unumgänglich seyn?
Ich zweifle daran, (den Fortgang recht
verstanden,) gar nicht. In Sprache und
Sitten werden Wir nie Griechen und Rö-
mer werden; wir wollen es auch nicht
seyn. Ob aber der Geist der Poesie durch
alle Schwingungen und Eccentricitäten,
in denen er sich bisher Nationen und Zei-
tenweise periodisch bemühet hat, nicht dahin
strebe, immer mehr und mehr, so wie jede
Grobheit des Gefühls, so auch jeden fal-
schen Schmuck abzuwerfen und den Mittel-
punkt aller menschlichen Bemühungen zu

vermoͤge der eindringenden Rede, die das
Object, das ſie mahlt, oder darſtellt, auf
einen geiſtigen, moraliſchen, gleich-
ſam unendlichen Grund, ins Gemuͤth,
in die Seele mahlet.

Sollte alſo nicht auch bei dieſer, wie
bei allen Reihen fortgeſetzter Naturwir-
kungen ein Fortgang unumgaͤnglich ſeyn?
Ich zweifle daran, (den Fortgang recht
verſtanden,) gar nicht. In Sprache und
Sitten werden Wir nie Griechen und Roͤ-
mer werden; wir wollen es auch nicht
ſeyn. Ob aber der Geiſt der Poeſie durch
alle Schwingungen und Eccentricitaͤten,
in denen er ſich bisher Nationen und Zei-
tenweiſe periodiſch bemuͤhet hat, nicht dahin
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[187/0206] vermoͤge der eindringenden Rede, die das Object, das ſie mahlt, oder darſtellt, auf einen geiſtigen, moraliſchen, gleich- ſam unendlichen Grund, ins Gemuͤth, in die Seele mahlet. Sollte alſo nicht auch bei dieſer, wie bei allen Reihen fortgeſetzter Naturwir- kungen ein Fortgang unumgaͤnglich ſeyn? Ich zweifle daran, (den Fortgang recht verſtanden,) gar nicht. In Sprache und Sitten werden Wir nie Griechen und Roͤ- mer werden; wir wollen es auch nicht ſeyn. Ob aber der Geiſt der Poeſie durch alle Schwingungen und Eccentricitaͤten, in denen er ſich bisher Nationen und Zei- tenweiſe periodiſch bemuͤhet hat, nicht dahin ſtrebe, immer mehr und mehr, ſo wie jede Grobheit des Gefuͤhls, ſo auch jeden fal- ſchen Schmuck abzuwerfen und den Mittel- punkt aller menſchlichen Bemuͤhungen zu

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 8. Riga, 1796, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet08_1796/206>, abgerufen am 06.05.2024.