Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

dem ganzen menschlichen Geschlecht, d. i.
den weißen edleren Menschen mehr zum
Vortheil als zum Nachtheil gereichet:" so
zerstörte ein Grundsatz der Art sofort die
ganze Geschichte der Menschheit. Ad ma-
iorem Dei gloriam privilegirte er die frech-
sten Anmaaßungen, die grausamsten Usur-
pationen. Gebe man doch keinem Volk
der Erde den Scepter über andre Völker
wegen "angebohrner Vornehmig-
keit" in die Hände; vielweniger das
Schwert und die Sklavenpeitsche.

3. Der Naturforscher setzt keine
Rangordnung unter den Geschöpfen
voraus, die er betrachtet; alle sind ihm
gleich lieb und werth. So auch der Na-
turforscher der Menschheit. Der Neger
hat so viel Recht, den Weißen für eine
Abart, einen gebohrnen Kackerlacken zu

dem ganzen menſchlichen Geſchlecht, d. i.
den weißen edleren Menſchen mehr zum
Vortheil als zum Nachtheil gereichet:“ ſo
zerſtoͤrte ein Grundſatz der Art ſofort die
ganze Geſchichte der Menſchheit. Ad ma-
iorem Dei gloriam privilegirte er die frech-
ſten Anmaaßungen, die grauſamſten Uſur-
pationen. Gebe man doch keinem Volk
der Erde den Scepter uͤber andre Voͤlker
wegen „angebohrner Vornehmig-
keit“ in die Haͤnde; vielweniger das
Schwert und die Sklavenpeitſche.

3. Der Naturforſcher ſetzt keine
Rangordnung unter den Geſchoͤpfen
voraus, die er betrachtet; alle ſind ihm
gleich lieb und werth. So auch der Na-
turforſcher der Menſchheit. Der Neger
hat ſo viel Recht, den Weißen fuͤr eine
Abart, einen gebohrnen Kackerlacken zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="73"/>
dem ganzen men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlecht, d. i.<lb/>
den weißen <hi rendition="#g">edleren</hi> Men&#x017F;chen mehr zum<lb/>
Vortheil als zum Nachtheil gereichet:&#x201C; &#x017F;o<lb/>
zer&#x017F;to&#x0364;rte ein Grund&#x017F;atz der Art &#x017F;ofort die<lb/>
ganze Ge&#x017F;chichte der Men&#x017F;chheit. <hi rendition="#aq">Ad ma-<lb/>
iorem Dei gloriam</hi> privilegirte er die frech-<lb/>
&#x017F;ten Anmaaßungen, die grau&#x017F;am&#x017F;ten U&#x017F;ur-<lb/>
pationen. Gebe man doch keinem Volk<lb/>
der Erde den Scepter u&#x0364;ber andre Vo&#x0364;lker<lb/>
wegen &#x201E;<hi rendition="#g">angebohrner Vornehmig</hi>-<lb/><hi rendition="#g">keit</hi>&#x201C; in die Ha&#x0364;nde; vielweniger das<lb/>
Schwert und die Sklavenpeit&#x017F;che.</p><lb/>
        <p>3. Der Naturfor&#x017F;cher &#x017F;etzt <hi rendition="#g">keine<lb/>
Rangordnung</hi> unter den Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen<lb/>
voraus, die er betrachtet; alle &#x017F;ind ihm<lb/>
gleich lieb und werth. So auch der Na-<lb/>
turfor&#x017F;cher der Men&#x017F;chheit. Der Neger<lb/>
hat &#x017F;o viel Recht, den Weißen fu&#x0364;r eine<lb/>
Abart, einen gebohrnen Kackerlacken zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0080] dem ganzen menſchlichen Geſchlecht, d. i. den weißen edleren Menſchen mehr zum Vortheil als zum Nachtheil gereichet:“ ſo zerſtoͤrte ein Grundſatz der Art ſofort die ganze Geſchichte der Menſchheit. Ad ma- iorem Dei gloriam privilegirte er die frech- ſten Anmaaßungen, die grauſamſten Uſur- pationen. Gebe man doch keinem Volk der Erde den Scepter uͤber andre Voͤlker wegen „angebohrner Vornehmig- keit“ in die Haͤnde; vielweniger das Schwert und die Sklavenpeitſche. 3. Der Naturforſcher ſetzt keine Rangordnung unter den Geſchoͤpfen voraus, die er betrachtet; alle ſind ihm gleich lieb und werth. So auch der Na- turforſcher der Menſchheit. Der Neger hat ſo viel Recht, den Weißen fuͤr eine Abart, einen gebohrnen Kackerlacken zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/80
Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 10. Riga, 1797, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet10_1797/80>, abgerufen am 30.04.2024.