Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>


"bringen könne und werde." Ohne Zweifel
rede ich noch von fernen Zeiten!

Lasset uns, meine Brüder, mit muthigem,
frölichem Herzen auch mitten unter der Wol-
ke arbeiten: denn wir arbeiten zu einer gros-
sen Zukunft.

Und lasset uns unser Ziel so rein, so hell,
so schlackenfrey annehmen, als wirs können:
denn wir laufen in Jrrlicht und Dämmerung
und Nebel.


Wenn ich da Thaten sehe, oder vielmehr
schweigende Merkmale von Thaten ahnde aus
einem Geiste, der für die Hülle seiner Zeit zu
groß, und für ihr Lobgeschrey zu still und
blöde dahingeht und im Finstern säet? Sa-
menkörner, die wie alle Gotteswerke und Schöp-
fungen vom kleinen Keim anfangen, denen
mans aber beym ersten kleinen Sprößlein, so
lieblich ansiehet und anreucht, daß sie Schöpf-
fung Gottes im Verborgenen seyn werden. --
Und wärens Anlagen insonderheit zur edelsten
Pflanze der Menschheit, Bildung, Erzie-

hung,
M 2


„bringen koͤnne und werde.„ Ohne Zweifel
rede ich noch von fernen Zeiten!

Laſſet uns, meine Bruͤder, mit muthigem,
froͤlichem Herzen auch mitten unter der Wol-
ke arbeiten: denn wir arbeiten zu einer groſ-
ſen Zukunft.

Und laſſet uns unſer Ziel ſo rein, ſo hell,
ſo ſchlackenfrey annehmen, als wirs koͤnnen:
denn wir laufen in Jrrlicht und Daͤmmerung
und Nebel.


Wenn ich da Thaten ſehe, oder vielmehr
ſchweigende Merkmale von Thaten ahnde aus
einem Geiſte, der fuͤr die Huͤlle ſeiner Zeit zu
groß, und fuͤr ihr Lobgeſchrey zu ſtill und
bloͤde dahingeht und im Finſtern ſaͤet? Sa-
menkoͤrner, die wie alle Gotteswerke und Schoͤp-
fungen vom kleinen Keim anfangen, denen
mans aber beym erſten kleinen Sproͤßlein, ſo
lieblich anſiehet und anreucht, daß ſie Schoͤpf-
fung Gottes im Verborgenen ſeyn werden. —
Und waͤrens Anlagen inſonderheit zur edelſten
Pflanze der Menſchheit, Bildung, Erzie-

hung,
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0183" n="179"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> &#x201E;bringen ko&#x0364;nne und werde.&#x201E; Ohne Zweifel<lb/>
rede ich noch von <hi rendition="#b">fernen</hi> Zeiten!</p><lb/>
            <p>La&#x017F;&#x017F;et uns, meine Bru&#x0364;der, mit muthigem,<lb/>
fro&#x0364;lichem Herzen auch <hi rendition="#b">mitten unter der Wol-<lb/>
ke</hi> arbeiten: denn wir arbeiten zu <hi rendition="#b">einer gro&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Zukunft.</hi></p><lb/>
            <p>Und la&#x017F;&#x017F;et uns un&#x017F;er <hi rendition="#b">Ziel &#x017F;o rein, &#x017F;o hell,</hi><lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#b">&#x017F;chlackenfrey</hi> annehmen, als wirs ko&#x0364;nnen:<lb/>
denn wir laufen in <hi rendition="#b">Jrrlicht</hi> und <hi rendition="#b">Da&#x0364;mmerung</hi><lb/>
und <hi rendition="#b">Nebel.</hi></p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Wenn ich da Thaten &#x017F;ehe, oder vielmehr<lb/>
&#x017F;chweigende Merkmale von Thaten ahnde aus<lb/><hi rendition="#b">einem Gei&#x017F;te,</hi> der fu&#x0364;r die Hu&#x0364;lle &#x017F;einer Zeit <hi rendition="#b">zu<lb/>
groß,</hi> und fu&#x0364;r ihr <hi rendition="#b">Lobge&#x017F;chrey zu &#x017F;till</hi> und<lb/>
blo&#x0364;de dahingeht und im Fin&#x017F;tern <hi rendition="#b">&#x017F;a&#x0364;et?</hi> Sa-<lb/>
menko&#x0364;rner, die wie <hi rendition="#b">alle Gotteswerke</hi> und Scho&#x0364;p-<lb/>
fungen <hi rendition="#b">vom kleinen Keim</hi> anfangen, denen<lb/>
mans aber beym er&#x017F;ten kleinen Spro&#x0364;ßlein, &#x017F;o<lb/>
lieblich an&#x017F;iehet und anreucht, daß &#x017F;ie <hi rendition="#b">Scho&#x0364;pf-<lb/>
fung Gottes im Verborgenen &#x017F;eyn werden.</hi> &#x2014;<lb/>
Und wa&#x0364;rens Anlagen in&#x017F;onderheit <hi rendition="#b">zur edel&#x017F;ten<lb/>
Pflanze der Men&#x017F;chheit, Bildung, Erzie-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#b">hung,</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0183] „bringen koͤnne und werde.„ Ohne Zweifel rede ich noch von fernen Zeiten! Laſſet uns, meine Bruͤder, mit muthigem, froͤlichem Herzen auch mitten unter der Wol- ke arbeiten: denn wir arbeiten zu einer groſ- ſen Zukunft. Und laſſet uns unſer Ziel ſo rein, ſo hell, ſo ſchlackenfrey annehmen, als wirs koͤnnen: denn wir laufen in Jrrlicht und Daͤmmerung und Nebel. Wenn ich da Thaten ſehe, oder vielmehr ſchweigende Merkmale von Thaten ahnde aus einem Geiſte, der fuͤr die Huͤlle ſeiner Zeit zu groß, und fuͤr ihr Lobgeſchrey zu ſtill und bloͤde dahingeht und im Finſtern ſaͤet? Sa- menkoͤrner, die wie alle Gotteswerke und Schoͤp- fungen vom kleinen Keim anfangen, denen mans aber beym erſten kleinen Sproͤßlein, ſo lieblich anſiehet und anreucht, daß ſie Schoͤpf- fung Gottes im Verborgenen ſeyn werden. — Und waͤrens Anlagen inſonderheit zur edelſten Pflanze der Menſchheit, Bildung, Erzie- hung, M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/183
Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/183>, abgerufen am 01.05.2024.