Der Nachweis, daß der simultane Farben-Contrast und die Farben-Induction wirklich auf einer Wechselwirkung der einzelnen Theile des Sehorganes beruhen, läßt sich in ganz ähnlicher Weise führen, wie dies in Betreff der farblosen Lichtempfindungen in meinen früheren Mittheilungen geschehen ist. Alle dort ange- führten Versuche lassen sich gleichsam in's Farbige übersetzen. Nur muß man dabei Sorge tragen, daß man den Contrast und die Induction zwischen hell und dunkel möglichst ausschließt, weil sonst schwache Farbenempfindungen durch die farblosen unter die Schwelle gedrückt werden. Objective Gegenfarben, mit denen man gleichzeitig arbeitet, müssen ungefähr gleich hell sein, und ebenso müssen farblose Felder oder farbloser Grund etwa von derselben Helligkeit sein, wie die Farben, nämlich grau, nicht weiß oder schwarz. Zu Versuchen über simultanen Con- trast eignen sich die möglichst reinen Farben weniger als stark nuancirte, weil bei Anwendung der ersteren der simultane Con- trast oft sehr rasch in die simultane Induction umschlägt oder die Zerstreuung des farbigen Lichtes über das eigentlich farbige Bild hinaus so stark ist, dass die subjective Contrastfarbe gar nicht dagegen aufkommen kann. Günstig sind demzufolge für die Erscheinung der Contrastfarben auch jene Versuchsbedin- gungen, welche man zur Erzeugung der subjectiv farbigen Schatten herzustellen pflegt.
§. 46. Über die große Vergänglichkeit der farbigen Empfindungen im Vergleich zu den farblosen.
Aus dem, was im §. 43 über das Gewicht der Farbenempfin- dungen und in den beiden letzten §§. über die Erregbarkeits- änderung der farbigen Sehsubstanzen gesagt wurde, erklärt sich, daß die Farbenempfindungen so sehr vergänglich sind, genauer gesagt, daß sie so leicht unter die Schwelle kommen. Ein kleines farbiges Quadrat auf ungefähr gleich hellem farblosen Grunde verliert bei fester Fixirung eines Punktes sehr bald an Reinheit der Farbe und verschwimmt endlich unterschiedslos mit dem Grunde, wobei dieser gewöhnlich unterdessen (durch simultane Induction) etwas von der Farbe des Quadrats angenommen hat, und somit Quadrat und Grund in gleichem Tone schwach gefärbt
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Der Nachweis, daß der simultane Farben-Contrast und die Farben-Induction wirklich auf einer Wechselwirkung der einzelnen Theile des Sehorganes beruhen, läßt sich in ganz ähnlicher Weise führen, wie dies in Betreff der farblosen Lichtempfindungen in meinen früheren Mittheilungen geschehen ist. Alle dort ange- führten Versuche lassen sich gleichsam in’s Farbige übersetzen. Nur muß man dabei Sorge tragen, daß man den Contrast und die Induction zwischen hell und dunkel möglichst ausschließt, weil sonst schwache Farbenempfindungen durch die farblosen unter die Schwelle gedrückt werden. Objective Gegenfarben, mit denen man gleichzeitig arbeitet, müssen ungefähr gleich hell sein, und ebenso müssen farblose Felder oder farbloser Grund etwa von derselben Helligkeit sein, wie die Farben, nämlich grau, nicht weiß oder schwarz. Zu Versuchen über simultanen Con- trast eignen sich die möglichst reinen Farben weniger als stark nuancirte, weil bei Anwendung der ersteren der simultane Con- trast oft sehr rasch in die simultane Induction umschlägt oder die Zerstreuung des farbigen Lichtes über das eigentlich farbige Bild hinaus so stark ist, dass die subjective Contrastfarbe gar nicht dagegen aufkommen kann. Günstig sind demzufolge für die Erscheinung der Contrastfarben auch jene Versuchsbedin- gungen, welche man zur Erzeugung der subjectiv farbigen Schatten herzustellen pflegt.
§. 46. Über die große Vergänglichkeit der farbigen Empfindungen im Vergleich zu den farblosen.
Aus dem, was im §. 43 über das Gewicht der Farbenempfin- dungen und in den beiden letzten §§. über die Erregbarkeits- änderung der farbigen Sehsubstanzen gesagt wurde, erklärt sich, daß die Farbenempfindungen so sehr vergänglich sind, genauer gesagt, daß sie so leicht unter die Schwelle kommen. Ein kleines farbiges Quadrat auf ungefähr gleich hellem farblosen Grunde verliert bei fester Fixirung eines Punktes sehr bald an Reinheit der Farbe und verschwimmt endlich unterschiedslos mit dem Grunde, wobei dieser gewöhnlich unterdessen (durch simultane Induction) etwas von der Farbe des Quadrats angenommen hat, und somit Quadrat und Grund in gleichem Tone schwach gefärbt
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Der Nachweis, daß der simultane Farben-Contrast und die
Farben-Induction wirklich auf einer Wechselwirkung der einzelnen
Theile des Sehorganes beruhen, läßt sich in ganz ähnlicher Weise
führen, wie dies in Betreff der farblosen Lichtempfindungen in
meinen früheren Mittheilungen geschehen ist. Alle dort ange-
führten Versuche lassen sich gleichsam in’s Farbige übersetzen.
Nur muß man dabei Sorge tragen, daß man den Contrast und
die Induction zwischen hell und dunkel möglichst ausschließt,
weil sonst schwache Farbenempfindungen durch die farblosen
unter die Schwelle gedrückt werden. Objective Gegenfarben, mit
denen man gleichzeitig arbeitet, müssen ungefähr gleich hell
sein, und ebenso müssen farblose Felder oder farbloser Grund
etwa von derselben Helligkeit sein, wie die Farben, nämlich grau,
nicht weiß oder schwarz. Zu Versuchen über simultanen Con-
trast eignen sich die möglichst reinen Farben weniger als stark
nuancirte, weil bei Anwendung der ersteren der simultane Con-
trast oft sehr rasch in die simultane Induction umschlägt oder
die Zerstreuung des farbigen Lichtes über das eigentlich farbige
Bild hinaus so stark ist, dass die subjective Contrastfarbe gar
nicht dagegen aufkommen kann. Günstig sind demzufolge für
die Erscheinung der Contrastfarben auch jene Versuchsbedin-
gungen, welche man zur Erzeugung der subjectiv farbigen Schatten
herzustellen pflegt.
§. 46.
Über die große Vergänglichkeit der farbigen
Empfindungen im Vergleich zu den farblosen.
Aus dem, was im §. 43 über das Gewicht der Farbenempfin-
dungen und in den beiden letzten §§. über die Erregbarkeits-
änderung der farbigen Sehsubstanzen gesagt wurde, erklärt sich,
daß die Farbenempfindungen so sehr vergänglich sind, genauer
gesagt, daß sie so leicht unter die Schwelle kommen. Ein kleines
farbiges Quadrat auf ungefähr gleich hellem farblosen Grunde
verliert bei fester Fixirung eines Punktes sehr bald an Reinheit
der Farbe und verschwimmt endlich unterschiedslos mit dem
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Induction) etwas von der Farbe des Quadrats angenommen hat,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die z… [mehr]
Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die zweite, unveränderte Auflage von 1878 zugrunde gelegt. Diese enthält Herings insgesamt sechs zwischen 1872 und 1876 erschienenen "Mittheilungen" "Zur Lehre vom Lichtsinne" aus den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften in Wien, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse.
Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/139>, abgerufen am 08.02.2025.
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