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Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

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Erregbarkeit. Demnach können wir das Vermögen der Sehsub-
stanz, auf die D-Reize mit der Dissimilirung zu reagiren, als
ihre D-Erregbarkeit bezeichnen und nun obigen Satz auch
so aussprechen:

Jede Zunahme der erregbaren Substanz bedingt
eine Steigerung, jede Abnahme eine Herabsetzung
der D-Erregbarkeit im entsprechenden Theile des
Sehorganes
.

Daraus folgt weiter, daß die Empfindung des mitt-
len Grau ein Gleichbleiben, jede hellere Empfin-
dung eine Abnahme, jede dunklere eine Zunahme
der D-Erregbarkeit des betreffenden Theiles bedingt
.

Werden gleichzeitig an zwei Stellen von zu-
nächst gleicher D-Erregbarkeit Empfindungen ver-
schiedener Helligkeit oder Dunkelheit erzeugt, so
hat nach Schluß der Reizung die Stelle der helleren
(minder dunklen) Empfindung immer eine kleinere
D-Erregbarkeit als die Stelle der minder hellen
(dunkleren) Empfindung,
gleichviel ob eine oder beide
Empfindungen heller oder dunkler waren als das neutrale Grau;
und zwar ist der zurückbleibende Unterschied der D-Erregbar-
keit um so größer, je größer der Unterschied zwischen den
Helligkeiten der beiden Empfindungen oder zwischen den Werthen
der beiden entsprechenden Verhältnisse [Formel 1] und [Formel 2] war.

Wie nach dem Gesagten die jeweilige Größe der Dissimili-
rung abhängig ist einerseits von der Größe des Reizes, ander-
seits von der Quantität der im gereizten Theile vorhandenen er-
regbaren Substanz, so wird man von vornherein behaupten dürfen,
daß auch die Assimilirung nicht mit immer gleichbleibender In-
tensität stattfindet, sondern, daß auch sie eine variable, von be-
stimmten Bedingungen abhängige Größe hat.

Denn offenbar setzt der Proceß der Assimilirung voraus,
daß einerseits die dazu nöthigen chemischen Bedingungen, d. h.
gewisse Stoffe, anderseits gewisse physikalische Bedingungen (etwa
eine gewisse Temperatur) gegeben sind. Je nachdem das, was
die Assimilirung begünstigt, mehr oder weniger vorhanden ist,
wird dieselbe rascher und reichlicher oder langsamer und spär-

Erregbarkeit. Demnach können wir das Vermögen der Sehsub-
stanz, auf die D-Reize mit der Dissimilirung zu reagiren, als
ihre D-Erregbarkeit bezeichnen und nun obigen Satz auch
so aussprechen:

Jede Zunahme der erregbaren Substanz bedingt
eine Steigerung, jede Abnahme eine Herabsetzung
der D-Erregbarkeit im entsprechenden Theile des
Sehorganes
.

Daraus folgt weiter, daß die Empfindung des mitt-
len Grau ein Gleichbleiben, jede hellere Empfin-
dung eine Abnahme, jede dunklere eine Zunahme
der D-Erregbarkeit des betreffenden Theiles bedingt
.

Werden gleichzeitig an zwei Stellen von zu-
nächst gleicher D-Erregbarkeit Empfindungen ver-
schiedener Helligkeit oder Dunkelheit erzeugt, so
hat nach Schluß der Reizung die Stelle der helleren
(minder dunklen) Empfindung immer eine kleinere
D-Erregbarkeit als die Stelle der minder hellen
(dunkleren) Empfindung,
gleichviel ob eine oder beide
Empfindungen heller oder dunkler waren als das neutrale Grau;
und zwar ist der zurückbleibende Unterschied der D-Erregbar-
keit um so größer, je größer der Unterschied zwischen den
Helligkeiten der beiden Empfindungen oder zwischen den Werthen
der beiden entsprechenden Verhältnisse [Formel 1] und [Formel 2] war.

Wie nach dem Gesagten die jeweilige Größe der Dissimili-
rung abhängig ist einerseits von der Größe des Reizes, ander-
seits von der Quantität der im gereizten Theile vorhandenen er-
regbaren Substanz, so wird man von vornherein behaupten dürfen,
daß auch die Assimilirung nicht mit immer gleichbleibender In-
tensität stattfindet, sondern, daß auch sie eine variable, von be-
stimmten Bedingungen abhängige Größe hat.

Denn offenbar setzt der Proceß der Assimilirung voraus,
daß einerseits die dazu nöthigen chemischen Bedingungen, d. h.
gewisse Stoffe, anderseits gewisse physikalische Bedingungen (etwa
eine gewisse Temperatur) gegeben sind. Je nachdem das, was
die Assimilirung begünstigt, mehr oder weniger vorhanden ist,
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[82/0090] Erregbarkeit. Demnach können wir das Vermögen der Sehsub- stanz, auf die D-Reize mit der Dissimilirung zu reagiren, als ihre D-Erregbarkeit bezeichnen und nun obigen Satz auch so aussprechen: Jede Zunahme der erregbaren Substanz bedingt eine Steigerung, jede Abnahme eine Herabsetzung der D-Erregbarkeit im entsprechenden Theile des Sehorganes. Daraus folgt weiter, daß die Empfindung des mitt- len Grau ein Gleichbleiben, jede hellere Empfin- dung eine Abnahme, jede dunklere eine Zunahme der D-Erregbarkeit des betreffenden Theiles bedingt. Werden gleichzeitig an zwei Stellen von zu- nächst gleicher D-Erregbarkeit Empfindungen ver- schiedener Helligkeit oder Dunkelheit erzeugt, so hat nach Schluß der Reizung die Stelle der helleren (minder dunklen) Empfindung immer eine kleinere D-Erregbarkeit als die Stelle der minder hellen (dunkleren) Empfindung, gleichviel ob eine oder beide Empfindungen heller oder dunkler waren als das neutrale Grau; und zwar ist der zurückbleibende Unterschied der D-Erregbar- keit um so größer, je größer der Unterschied zwischen den Helligkeiten der beiden Empfindungen oder zwischen den Werthen der beiden entsprechenden Verhältnisse [FORMEL] und [FORMEL] war. Wie nach dem Gesagten die jeweilige Größe der Dissimili- rung abhängig ist einerseits von der Größe des Reizes, ander- seits von der Quantität der im gereizten Theile vorhandenen er- regbaren Substanz, so wird man von vornherein behaupten dürfen, daß auch die Assimilirung nicht mit immer gleichbleibender In- tensität stattfindet, sondern, daß auch sie eine variable, von be- stimmten Bedingungen abhängige Größe hat. Denn offenbar setzt der Proceß der Assimilirung voraus, daß einerseits die dazu nöthigen chemischen Bedingungen, d. h. gewisse Stoffe, anderseits gewisse physikalische Bedingungen (etwa eine gewisse Temperatur) gegeben sind. Je nachdem das, was die Assimilirung begünstigt, mehr oder weniger vorhanden ist, wird dieselbe rascher und reichlicher oder langsamer und spär-

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Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/90>, abgerufen am 29.04.2024.