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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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des Verstandes, abgesondert von aller Er-
fahrung, und von allen Verhältnißen der
Sinne, wenn z. E. von der Möglichkeit,
Zufälligkeit u. s. w. gehandelt wird. Hier
reden wir nicht vom Schein, sondern vom
Seyn, um dem Droßelpastor nachzuahmen.
Die Metaphysik hat kein Verhältniß zu den
Sinnen. Es will hier alles geistisch gerich-
tet seyn. Sie ist ein Lexicon der reinen
Vernunft; ein Versuch, die Sätze des rei-
nen Denkens in eine Tabelle zu bringen.
Was in der Logik Urtheile sind, sind in der
Ontologie Begriffe, unter die wir die Dinge
setzen, Titel des Verstandes, Inhalt der
Vernunft. Die Metaphysik muß critisiren.
Ihr Gebrauch ist negativ, wenn --

Wir waren im Begrif, uns recht viel
Metaphysik ins Auge zu streuen; allein siehe
da! Die Hausmütze Sr. Spektabilität, die
Grosmutter, würgte die Thür' auf, und
blinkte durch ein Ritzchen. Man sahe, daß
die alte Frau noch einen Brand im Auge
hatte. Sie schlug einen Strahl ins Zim-
mer. Dieser Wink solt' ihren lieben Ehe-
gatten zum Schluß bringen, weil sie ohn-
fehlbar beym Grossohn den Abend verspro-
chen waren. Man sah es Sr. Spektabili-

tät
Q 3

des Verſtandes, abgeſondert von aller Er-
fahrung, und von allen Verhaͤltnißen der
Sinne, wenn z. E. von der Moͤglichkeit,
Zufaͤlligkeit u. ſ. w. gehandelt wird. Hier
reden wir nicht vom Schein, ſondern vom
Seyn, um dem Droßelpaſtor nachzuahmen.
Die Metaphyſik hat kein Verhaͤltniß zu den
Sinnen. Es will hier alles geiſtiſch gerich-
tet ſeyn. Sie iſt ein Lexicon der reinen
Vernunft; ein Verſuch, die Saͤtze des rei-
nen Denkens in eine Tabelle zu bringen.
Was in der Logik Urtheile ſind, ſind in der
Ontologie Begriffe, unter die wir die Dinge
ſetzen, Titel des Verſtandes, Inhalt der
Vernunft. Die Metaphyſik muß critiſiren.
Ihr Gebrauch iſt negativ, wenn —

Wir waren im Begrif, uns recht viel
Metaphyſik ins Auge zu ſtreuen; allein ſiehe
da! Die Hausmuͤtze Sr. Spektabilitaͤt, die
Grosmutter, wuͤrgte die Thuͤr’ auf, und
blinkte durch ein Ritzchen. Man ſahe, daß
die alte Frau noch einen Brand im Auge
hatte. Sie ſchlug einen Strahl ins Zim-
mer. Dieſer Wink ſolt’ ihren lieben Ehe-
gatten zum Schluß bringen, weil ſie ohn-
fehlbar beym Grosſohn den Abend verſpro-
chen waren. Man ſah es Sr. Spektabili-

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Q 3
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[245/0253] des Verſtandes, abgeſondert von aller Er- fahrung, und von allen Verhaͤltnißen der Sinne, wenn z. E. von der Moͤglichkeit, Zufaͤlligkeit u. ſ. w. gehandelt wird. Hier reden wir nicht vom Schein, ſondern vom Seyn, um dem Droßelpaſtor nachzuahmen. Die Metaphyſik hat kein Verhaͤltniß zu den Sinnen. Es will hier alles geiſtiſch gerich- tet ſeyn. Sie iſt ein Lexicon der reinen Vernunft; ein Verſuch, die Saͤtze des rei- nen Denkens in eine Tabelle zu bringen. Was in der Logik Urtheile ſind, ſind in der Ontologie Begriffe, unter die wir die Dinge ſetzen, Titel des Verſtandes, Inhalt der Vernunft. Die Metaphyſik muß critiſiren. Ihr Gebrauch iſt negativ, wenn — Wir waren im Begrif, uns recht viel Metaphyſik ins Auge zu ſtreuen; allein ſiehe da! Die Hausmuͤtze Sr. Spektabilitaͤt, die Grosmutter, wuͤrgte die Thuͤr’ auf, und blinkte durch ein Ritzchen. Man ſahe, daß die alte Frau noch einen Brand im Auge hatte. Sie ſchlug einen Strahl ins Zim- mer. Dieſer Wink ſolt’ ihren lieben Ehe- gatten zum Schluß bringen, weil ſie ohn- fehlbar beym Grosſohn den Abend verſpro- chen waren. Man ſah es Sr. Spektabili- taͤt Q 3

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/253>, abgerufen am 07.05.2024.