Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Verstande, und sein Laudum, (sein Schieds-
spruch,) galt ihnen mehr, als ein für Geld
und gute Wort' in bester Form genommenes
Urtel. -- Er war ungeheyrathet. Man
sagt', er wär' in der Liebe unglücklich gewe-
sen! Schade! Es haben Curländer vielleicht,
bemerkte Herr v. G., seiner Schöne gerad
über logirt. -- Mag wohl seyn! -- Dieser
würdige Mann war im Stande, Menschen zu
lesen, und dis schien sein Hauptgeschäft' in Ge-
sellschaft zu seyn. Durch vereinte Kraft eins
seyn, ist der Zweck der großen Staatsgesellschaf-
ten, sagt' er zu mir! So im Großen, so im Klei-
nen! Instinkt und Vernunft lehren uns, daß
ein großer Theil unserer Glückseligkeit von
Menschen abhängt, und darum seh ich Men-
schen, darum geh' ich nach ihnen aus, und
freue mich herzlich, wenn ich was unerwar-
tetes vorfinde. Im Collegio ist alles auf ei-
nen gewissen bestimmten Horizont calku-
lirt. -- -- --

Noch seh' ich den Mann mit seiner ofnen,
weit ofnen Stirn, schwarz Haar, ein Aug',
in dem man ihn im Kleinen -- allein doch ganz
sahe. Zuweilen hatt' er kleine Abendgesellschaft-
ten, woran er mich Theil nehmen ließ. Dieses
Collegium versäumt ich nie. Ich fand einen

Officier,

Verſtande, und ſein Laudum, (ſein Schieds-
ſpruch,) galt ihnen mehr, als ein fuͤr Geld
und gute Wort’ in beſter Form genommenes
Urtel. — Er war ungeheyrathet. Man
ſagt’, er waͤr’ in der Liebe ungluͤcklich gewe-
ſen! Schade! Es haben Curlaͤnder vielleicht,
bemerkte Herr v. G., ſeiner Schoͤne gerad
uͤber logirt. — Mag wohl ſeyn! — Dieſer
wuͤrdige Mann war im Stande, Menſchen zu
leſen, und dis ſchien ſein Hauptgeſchaͤft’ in Ge-
ſellſchaft zu ſeyn. Durch vereinte Kraft eins
ſeyn, iſt der Zweck der großen Staatsgeſellſchaf-
ten, ſagt’ er zu mir! So im Großen, ſo im Klei-
nen! Inſtinkt und Vernunft lehren uns, daß
ein großer Theil unſerer Gluͤckſeligkeit von
Menſchen abhaͤngt, und darum ſeh ich Men-
ſchen, darum geh’ ich nach ihnen aus, und
freue mich herzlich, wenn ich was unerwar-
tetes vorfinde. Im Collegio iſt alles auf ei-
nen gewiſſen beſtimmten Horizont calku-
lirt. — — —

Noch ſeh’ ich den Mann mit ſeiner ofnen,
weit ofnen Stirn, ſchwarz Haar, ein Aug’,
in dem man ihn im Kleinen — allein doch ganz
ſahe. Zuweilen hatt’ er kleine Abendgeſellſchaft-
ten, woran er mich Theil nehmen ließ. Dieſes
Collegium verſaͤumt ich nie. Ich fand einen

Officier,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="271"/>
Ver&#x017F;tande, und &#x017F;ein Laudum, (&#x017F;ein Schieds-<lb/>
&#x017F;pruch,) galt ihnen mehr, als ein fu&#x0364;r Geld<lb/>
und gute Wort&#x2019; in be&#x017F;ter Form genommenes<lb/>
Urtel. &#x2014; Er war ungeheyrathet. Man<lb/>
&#x017F;agt&#x2019;, er wa&#x0364;r&#x2019; in der Liebe unglu&#x0364;cklich gewe-<lb/>
&#x017F;en! Schade! Es haben Curla&#x0364;nder vielleicht,<lb/>
bemerkte Herr v. G., &#x017F;einer Scho&#x0364;ne gerad<lb/>
u&#x0364;ber logirt. &#x2014; Mag wohl &#x017F;eyn! &#x2014; Die&#x017F;er<lb/>
wu&#x0364;rdige Mann war im Stande, Men&#x017F;chen zu<lb/>
le&#x017F;en, und dis &#x017F;chien &#x017F;ein Hauptge&#x017F;cha&#x0364;ft&#x2019; in Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft zu &#x017F;eyn. Durch vereinte Kraft eins<lb/>
&#x017F;eyn, i&#x017F;t der Zweck der großen Staatsge&#x017F;ell&#x017F;chaf-<lb/>
ten, &#x017F;agt&#x2019; er zu mir! So im Großen, &#x017F;o im Klei-<lb/>
nen! In&#x017F;tinkt und Vernunft lehren uns, daß<lb/>
ein großer Theil un&#x017F;erer Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit von<lb/>
Men&#x017F;chen abha&#x0364;ngt, und darum &#x017F;eh ich Men-<lb/>
&#x017F;chen, darum geh&#x2019; ich nach ihnen aus, und<lb/>
freue mich herzlich, wenn ich was unerwar-<lb/>
tetes vorfinde. Im Collegio i&#x017F;t alles auf ei-<lb/>
nen gewi&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;timmten Horizont calku-<lb/>
lirt. &#x2014; &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
          <p>Noch &#x017F;eh&#x2019; ich den Mann mit &#x017F;einer ofnen,<lb/>
weit ofnen Stirn, &#x017F;chwarz Haar, ein Aug&#x2019;,<lb/>
in dem man ihn im Kleinen &#x2014; allein doch ganz<lb/>
&#x017F;ahe. Zuweilen hatt&#x2019; er kleine Abendge&#x017F;ell&#x017F;chaft-<lb/>
ten, woran er mich Theil nehmen ließ. Die&#x017F;es<lb/>
Collegium ver&#x017F;a&#x0364;umt ich nie. Ich fand einen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Officier,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0279] Verſtande, und ſein Laudum, (ſein Schieds- ſpruch,) galt ihnen mehr, als ein fuͤr Geld und gute Wort’ in beſter Form genommenes Urtel. — Er war ungeheyrathet. Man ſagt’, er waͤr’ in der Liebe ungluͤcklich gewe- ſen! Schade! Es haben Curlaͤnder vielleicht, bemerkte Herr v. G., ſeiner Schoͤne gerad uͤber logirt. — Mag wohl ſeyn! — Dieſer wuͤrdige Mann war im Stande, Menſchen zu leſen, und dis ſchien ſein Hauptgeſchaͤft’ in Ge- ſellſchaft zu ſeyn. Durch vereinte Kraft eins ſeyn, iſt der Zweck der großen Staatsgeſellſchaf- ten, ſagt’ er zu mir! So im Großen, ſo im Klei- nen! Inſtinkt und Vernunft lehren uns, daß ein großer Theil unſerer Gluͤckſeligkeit von Menſchen abhaͤngt, und darum ſeh ich Men- ſchen, darum geh’ ich nach ihnen aus, und freue mich herzlich, wenn ich was unerwar- tetes vorfinde. Im Collegio iſt alles auf ei- nen gewiſſen beſtimmten Horizont calku- lirt. — — — Noch ſeh’ ich den Mann mit ſeiner ofnen, weit ofnen Stirn, ſchwarz Haar, ein Aug’, in dem man ihn im Kleinen — allein doch ganz ſahe. Zuweilen hatt’ er kleine Abendgeſellſchaft- ten, woran er mich Theil nehmen ließ. Dieſes Collegium verſaͤumt ich nie. Ich fand einen Officier,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/279
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/279>, abgerufen am 07.05.2024.