Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Wenn ich in einer großen Gesellschaft ei-
nen Witzling sehe, der nach Landesmanier
wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird,
und der über Tisch und Stühle schreit, ist
mir nicht anders, als wär' ich mit dem
verstockten Schächer zusammen! Wer in ei-
ner Gesellschaft von zwölf Personen witzig
seyn, und sich hören und sehen laßen kann,
ist ein schrecklicher Mensch. -- Wo zwey
und drey versammlet sind, da ist Witz an
Ort und Stelle. Niemand ist geiziger, als
ein wirklich witziger. Er wirft seine Perlen
nicht weg. -- Ein Witziger ohn' Urtheil ist
ein Witzling -- und wehe dem Menschen,
durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede
genug --

Herrmann hatte, nach dem Tode der
Mutter meiner Mine und der Meinigen,
noch Lust sich ein Hochzeitbett anzulegen.
Der Tischler, den er darüber besprach, glaubt
es sey ein Sarg, da er sich in der Still' an
ihn wandte. Der Tischler wandte sich mit
einem warum? auch in der Still' an Herr-
mann zurück. -- Ich hab' es von meiner
Mutter, daß eben dieser Tischler in seiner
Gewerksstube herzlich geweint habe, wenn
er einen Sarg für einen Redlichen im Land'

erbau-

Wenn ich in einer großen Geſellſchaft ei-
nen Witzling ſehe, der nach Landesmanier
wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird,
und der uͤber Tiſch und Stuͤhle ſchreit, iſt
mir nicht anders, als waͤr’ ich mit dem
verſtockten Schaͤcher zuſammen! Wer in ei-
ner Geſellſchaft von zwoͤlf Perſonen witzig
ſeyn, und ſich hoͤren und ſehen laßen kann,
iſt ein ſchrecklicher Menſch. — Wo zwey
und drey verſammlet ſind, da iſt Witz an
Ort und Stelle. Niemand iſt geiziger, als
ein wirklich witziger. Er wirft ſeine Perlen
nicht weg. — Ein Witziger ohn’ Urtheil iſt
ein Witzling — und wehe dem Menſchen,
durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede
genug —

Herrmann hatte, nach dem Tode der
Mutter meiner Mine und der Meinigen,
noch Luſt ſich ein Hochzeitbett anzulegen.
Der Tiſchler, den er daruͤber beſprach, glaubt
es ſey ein Sarg, da er ſich in der Still’ an
ihn wandte. Der Tiſchler wandte ſich mit
einem warum? auch in der Still’ an Herr-
mann zuruͤck. — Ich hab’ es von meiner
Mutter, daß eben dieſer Tiſchler in ſeiner
Gewerksſtube herzlich geweint habe, wenn
er einen Sarg fuͤr einen Redlichen im Land’

erbau-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0288" n="280"/>
          <p>Wenn ich in einer großen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ei-<lb/>
nen Witzling &#x017F;ehe, der nach Landesmanier<lb/>
wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird,<lb/>
und der u&#x0364;ber Ti&#x017F;ch und Stu&#x0364;hle &#x017F;chreit, i&#x017F;t<lb/>
mir nicht anders, als wa&#x0364;r&#x2019; ich mit dem<lb/>
ver&#x017F;tockten Scha&#x0364;cher zu&#x017F;ammen! Wer in ei-<lb/>
ner Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft von zwo&#x0364;lf Per&#x017F;onen witzig<lb/>
&#x017F;eyn, und &#x017F;ich ho&#x0364;ren und &#x017F;ehen laßen kann,<lb/>
i&#x017F;t ein &#x017F;chrecklicher Men&#x017F;ch. &#x2014; Wo zwey<lb/>
und drey ver&#x017F;ammlet &#x017F;ind, da i&#x017F;t Witz an<lb/>
Ort und Stelle. Niemand i&#x017F;t geiziger, als<lb/>
ein wirklich witziger. Er wirft &#x017F;eine Perlen<lb/>
nicht weg. &#x2014; Ein Witziger ohn&#x2019; Urtheil i&#x017F;t<lb/>
ein Witzling &#x2014; und wehe dem Men&#x017F;chen,<lb/>
durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede<lb/>
genug &#x2014;</p><lb/>
          <p>Herrmann hatte, nach dem Tode der<lb/>
Mutter meiner Mine und der Meinigen,<lb/>
noch Lu&#x017F;t &#x017F;ich ein Hochzeitbett anzulegen.<lb/>
Der Ti&#x017F;chler, den er daru&#x0364;ber be&#x017F;prach, glaubt<lb/>
es &#x017F;ey ein Sarg, da er &#x017F;ich in der Still&#x2019; an<lb/>
ihn wandte. Der Ti&#x017F;chler wandte &#x017F;ich mit<lb/>
einem warum? auch in der Still&#x2019; an Herr-<lb/>
mann zuru&#x0364;ck. &#x2014; Ich hab&#x2019; es von meiner<lb/>
Mutter, daß eben die&#x017F;er Ti&#x017F;chler in &#x017F;einer<lb/>
Gewerks&#x017F;tube herzlich geweint habe, wenn<lb/>
er einen Sarg fu&#x0364;r einen Redlichen im Land&#x2019;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">erbau-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[280/0288] Wenn ich in einer großen Geſellſchaft ei- nen Witzling ſehe, der nach Landesmanier wie der dritte Mann zum Spiel gebeten wird, und der uͤber Tiſch und Stuͤhle ſchreit, iſt mir nicht anders, als waͤr’ ich mit dem verſtockten Schaͤcher zuſammen! Wer in ei- ner Geſellſchaft von zwoͤlf Perſonen witzig ſeyn, und ſich hoͤren und ſehen laßen kann, iſt ein ſchrecklicher Menſch. — Wo zwey und drey verſammlet ſind, da iſt Witz an Ort und Stelle. Niemand iſt geiziger, als ein wirklich witziger. Er wirft ſeine Perlen nicht weg. — Ein Witziger ohn’ Urtheil iſt ein Witzling — und wehe dem Menſchen, durch welchen Aergerniß kommt! Vorrede genug — Herrmann hatte, nach dem Tode der Mutter meiner Mine und der Meinigen, noch Luſt ſich ein Hochzeitbett anzulegen. Der Tiſchler, den er daruͤber beſprach, glaubt es ſey ein Sarg, da er ſich in der Still’ an ihn wandte. Der Tiſchler wandte ſich mit einem warum? auch in der Still’ an Herr- mann zuruͤck. — Ich hab’ es von meiner Mutter, daß eben dieſer Tiſchler in ſeiner Gewerksſtube herzlich geweint habe, wenn er einen Sarg fuͤr einen Redlichen im Land’ erbau-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/288
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/288>, abgerufen am 07.05.2024.