Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

Mine konnt' es nicht über ihr Herz brin-
gen, sich nach dem Befinden ihres Vaters zu
erkundigen. Er dagegen hatt' auch kein
Herz, an seine Krankheit zu denken. Herr-
manns Gesicht war bei aller angenommenen
Freundlichkeit so durchsichtig, daß Mine
wörtlich ihr Schicksal daraus abnehmen
konnte. --

Er fieng die Lobred' auf Herrn v. E. mit
dem Eingang an: Wir haben uns geirrt,
Mine. Irren ist menschlich. Wir haben uns
geirrt. Herr v. E. ist nicht der Herr v. E.
den wir glaubten, sondern ein ganz anderer
Herr v. E.. Der Text der Lobrede betraf
seine Verlobung mit der Fräulein S., und
seine Erd- Wand- Band- Niet- und Nagel-
feste Liebe zu ihr.

Oft kam die Verlobungserzählung so un-
zeitig, daß Mine mehr als zu deutlich sehen
konnte, was diese Wiederholung sagen wollte.
-- Nach einer Weile fieng er an: du kannst
nicht glauben, mein Kind, wie du dich durch
deine Tugend dem Herrn v. E. empfohlen hast:
er hat zum ersten und zum zweiten mal ein
Geschenk für dich in der Hand gehabt; allein
du hast ihm so viel Achtung eingeflößt, daß
er es nicht wagen dörfen --

Ein
X 5

Mine konnt’ es nicht uͤber ihr Herz brin-
gen, ſich nach dem Befinden ihres Vaters zu
erkundigen. Er dagegen hatt’ auch kein
Herz, an ſeine Krankheit zu denken. Herr-
manns Geſicht war bei aller angenommenen
Freundlichkeit ſo durchſichtig, daß Mine
woͤrtlich ihr Schickſal daraus abnehmen
konnte. —

Er fieng die Lobred’ auf Herrn v. E. mit
dem Eingang an: Wir haben uns geirrt,
Mine. Irren iſt menſchlich. Wir haben uns
geirrt. Herr v. E. iſt nicht der Herr v. E.
den wir glaubten, ſondern ein ganz anderer
Herr v. E.. Der Text der Lobrede betraf
ſeine Verlobung mit der Fraͤulein S., und
ſeine Erd- Wand- Band- Niet- und Nagel-
feſte Liebe zu ihr.

Oft kam die Verlobungserzaͤhlung ſo un-
zeitig, daß Mine mehr als zu deutlich ſehen
konnte, was dieſe Wiederholung ſagen wollte.
— Nach einer Weile fieng er an: du kannſt
nicht glauben, mein Kind, wie du dich durch
deine Tugend dem Herrn v. E. empfohlen haſt:
er hat zum erſten und zum zweiten mal ein
Geſchenk fuͤr dich in der Hand gehabt; allein
du haſt ihm ſo viel Achtung eingefloͤßt, daß
er es nicht wagen doͤrfen —

Ein
X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0337" n="329"/>
          <p>Mine konnt&#x2019; es nicht u&#x0364;ber ihr Herz brin-<lb/>
gen, &#x017F;ich nach dem Befinden ihres Vaters zu<lb/>
erkundigen. Er dagegen hatt&#x2019; auch kein<lb/>
Herz, an &#x017F;eine Krankheit zu denken. Herr-<lb/>
manns Ge&#x017F;icht war bei aller angenommenen<lb/>
Freundlichkeit &#x017F;o durch&#x017F;ichtig, daß Mine<lb/>
wo&#x0364;rtlich ihr Schick&#x017F;al daraus abnehmen<lb/>
konnte. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Er fieng die Lobred&#x2019; auf Herrn v. E. mit<lb/>
dem Eingang an: Wir haben uns geirrt,<lb/>
Mine. Irren i&#x017F;t men&#x017F;chlich. Wir haben uns<lb/>
geirrt. Herr v. E. i&#x017F;t nicht der Herr v. E.<lb/>
den wir glaubten, &#x017F;ondern ein ganz anderer<lb/>
Herr v. E.. Der Text der Lobrede betraf<lb/>
&#x017F;eine Verlobung mit der Fra&#x0364;ulein S., und<lb/>
&#x017F;eine Erd- Wand- Band- Niet- und Nagel-<lb/>
fe&#x017F;te Liebe zu ihr.</p><lb/>
          <p>Oft kam die Verlobungserza&#x0364;hlung &#x017F;o un-<lb/>
zeitig, daß Mine mehr als zu deutlich &#x017F;ehen<lb/>
konnte, was die&#x017F;e Wiederholung &#x017F;agen wollte.<lb/>
&#x2014; Nach einer Weile fieng er an: du kann&#x017F;t<lb/>
nicht glauben, mein Kind, wie du dich durch<lb/>
deine Tugend dem Herrn v. E. empfohlen ha&#x017F;t:<lb/>
er hat zum er&#x017F;ten und zum zweiten mal ein<lb/>
Ge&#x017F;chenk fu&#x0364;r dich in der Hand gehabt; allein<lb/>
du ha&#x017F;t ihm &#x017F;o viel Achtung eingeflo&#x0364;ßt, daß<lb/>
er es nicht wagen do&#x0364;rfen &#x2014;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">X 5</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Ein</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0337] Mine konnt’ es nicht uͤber ihr Herz brin- gen, ſich nach dem Befinden ihres Vaters zu erkundigen. Er dagegen hatt’ auch kein Herz, an ſeine Krankheit zu denken. Herr- manns Geſicht war bei aller angenommenen Freundlichkeit ſo durchſichtig, daß Mine woͤrtlich ihr Schickſal daraus abnehmen konnte. — Er fieng die Lobred’ auf Herrn v. E. mit dem Eingang an: Wir haben uns geirrt, Mine. Irren iſt menſchlich. Wir haben uns geirrt. Herr v. E. iſt nicht der Herr v. E. den wir glaubten, ſondern ein ganz anderer Herr v. E.. Der Text der Lobrede betraf ſeine Verlobung mit der Fraͤulein S., und ſeine Erd- Wand- Band- Niet- und Nagel- feſte Liebe zu ihr. Oft kam die Verlobungserzaͤhlung ſo un- zeitig, daß Mine mehr als zu deutlich ſehen konnte, was dieſe Wiederholung ſagen wollte. — Nach einer Weile fieng er an: du kannſt nicht glauben, mein Kind, wie du dich durch deine Tugend dem Herrn v. E. empfohlen haſt: er hat zum erſten und zum zweiten mal ein Geſchenk fuͤr dich in der Hand gehabt; allein du haſt ihm ſo viel Achtung eingefloͤßt, daß er es nicht wagen doͤrfen — Ein X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/337
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/337>, abgerufen am 02.05.2024.