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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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Ihre lezten Worte, nicht völlig vernehm-
lich, waren:
Komm so mein Tod und sey gegrüßt,
der mehr als tausend Leben ist.

Ihre gewaschene Füße lagen im Kreuz; so im
Kreuz mit Händen und Füßen wollte sie auch
begraben werden. Ihr Gesicht war nicht im
mindesten im Tode entstellt.

Kein Hund heulte, schreibt die Pastorin,
weder vor, noch nach ihrem Ableben, der
Storch nur, der in der Gegend des Pastorats
sein Sommerhaus hatte, ist verzogen.

Von ihrem Begräbnis will ich nur wenig
anführen.

Sie hatte nur bloß über den Ort, wo sie
ruhen wollte, über ihre Begleiter und einige
Austheilungen an die Armen der Gegend, Ein-
richtungen getroffen; alles andere aber den
Zurückbleibenden überlassen. Sie wolte nicht
in der Kirche ruhen, sondern unter ihren lie-
ben Todten; indessen hatte sie verfügt, daß
sie in die Kirche gebracht und rund herum ge-
tragen werden solte. Bey N. 5. bitt ich an-
zuhalten, sagte sie. Mein Gott, schreibt die
Wittwe, wie bange war mir, sie würde sich
aufrichten: ich bin vor dem strengen Richter-

stuhl

Ihre lezten Worte, nicht voͤllig vernehm-
lich, waren:
Komm ſo mein Tod und ſey gegruͤßt,
der mehr als tauſend Leben iſt.

Ihre gewaſchene Fuͤße lagen im Kreuz; ſo im
Kreuz mit Haͤnden und Fuͤßen wollte ſie auch
begraben werden. Ihr Geſicht war nicht im
mindeſten im Tode entſtellt.

Kein Hund heulte, ſchreibt die Paſtorin,
weder vor, noch nach ihrem Ableben, der
Storch nur, der in der Gegend des Paſtorats
ſein Sommerhaus hatte, iſt verzogen.

Von ihrem Begraͤbnis will ich nur wenig
anfuͤhren.

Sie hatte nur bloß uͤber den Ort, wo ſie
ruhen wollte, uͤber ihre Begleiter und einige
Austheilungen an die Armen der Gegend, Ein-
richtungen getroffen; alles andere aber den
Zuruͤckbleibenden uͤberlaſſen. Sie wolte nicht
in der Kirche ruhen, ſondern unter ihren lie-
ben Todten; indeſſen hatte ſie verfuͤgt, daß
ſie in die Kirche gebracht und rund herum ge-
tragen werden ſolte. Bey N. 5. bitt ich an-
zuhalten, ſagte ſie. Mein Gott, ſchreibt die
Wittwe, wie bange war mir, ſie wuͤrde ſich
aufrichten: ich bin vor dem ſtrengen Richter-

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[118/0124] Ihre lezten Worte, nicht voͤllig vernehm- lich, waren: Komm ſo mein Tod und ſey gegruͤßt, der mehr als tauſend Leben iſt. Ihre gewaſchene Fuͤße lagen im Kreuz; ſo im Kreuz mit Haͤnden und Fuͤßen wollte ſie auch begraben werden. Ihr Geſicht war nicht im mindeſten im Tode entſtellt. Kein Hund heulte, ſchreibt die Paſtorin, weder vor, noch nach ihrem Ableben, der Storch nur, der in der Gegend des Paſtorats ſein Sommerhaus hatte, iſt verzogen. Von ihrem Begraͤbnis will ich nur wenig anfuͤhren. Sie hatte nur bloß uͤber den Ort, wo ſie ruhen wollte, uͤber ihre Begleiter und einige Austheilungen an die Armen der Gegend, Ein- richtungen getroffen; alles andere aber den Zuruͤckbleibenden uͤberlaſſen. Sie wolte nicht in der Kirche ruhen, ſondern unter ihren lie- ben Todten; indeſſen hatte ſie verfuͤgt, daß ſie in die Kirche gebracht und rund herum ge- tragen werden ſolte. Bey N. 5. bitt ich an- zuhalten, ſagte ſie. Mein Gott, ſchreibt die Wittwe, wie bange war mir, ſie wuͤrde ſich aufrichten: ich bin vor dem ſtrengen Richter- ſtuhl

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/124>, abgerufen am 29.04.2024.