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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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ter pflegte zu behaupten: meine Mutter sey
Schuld daran! Nicht doch, erwiederte meine
Mutter, das kommt, weil er ein Christ ist.
Das Christenthum ist göttliche, himmlische
Kunst --

Die Stelle:
Er starb zu einer seligen Stunde, eben da wir
den Waizen einstreuten. Sein Leib, dies
Waizenkorn Gottes, wird so leicht verwesen,
als eine Rose verbleicht, so sanft, als Leib
und Seel von ander giengen und sich zum lez-
tenmahl herzten.

Die Erd ist nicht so kalt, als sie zu dieser
Jahrszeit zu seyn pflegt! Schaudre nicht!
Ehrwürdige Pastorleiche! Die Sonne schlug
so warm, rings um warm herum, als wenn
sie es auswärmen wolte, und was wars für
ein Rauch, den ihre Strahlen herauszogen?
Weyhrauch, den sein Engel, der auf dem
Sonnenblick herabfuhr, anzündete, um dies
Grab zur Schlafkammer auszulüften -- --

Ist es erlaubt, zu der Standrede des
Herrn Vicars, über die Seligkeit der reinen
Herzen, die Gott schauen werden, etwas zum
Lebenslauf meiner Mutter zu liefern! Prose,
wie ihr Tod war. Den Gesang hab' ich dem

Letten

ter pflegte zu behaupten: meine Mutter ſey
Schuld daran! Nicht doch, erwiederte meine
Mutter, das kommt, weil er ein Chriſt iſt.
Das Chriſtenthum iſt goͤttliche, himmliſche
Kunſt —

Die Stelle:
Er ſtarb zu einer ſeligen Stunde, eben da wir
den Waizen einſtreuten. Sein Leib, dies
Waizenkorn Gottes, wird ſo leicht verweſen,
als eine Roſe verbleicht, ſo ſanft, als Leib
und Seel von ander giengen und ſich zum lez-
tenmahl herzten.

Die Erd iſt nicht ſo kalt, als ſie zu dieſer
Jahrszeit zu ſeyn pflegt! Schaudre nicht!
Ehrwuͤrdige Paſtorleiche! Die Sonne ſchlug
ſo warm, rings um warm herum, als wenn
ſie es auswaͤrmen wolte, und was wars fuͤr
ein Rauch, den ihre Strahlen herauszogen?
Weyhrauch, den ſein Engel, der auf dem
Sonnenblick herabfuhr, anzuͤndete, um dies
Grab zur Schlafkammer auszuluͤften — —

Iſt es erlaubt, zu der Standrede des
Herrn Vicars, uͤber die Seligkeit der reinen
Herzen, die Gott ſchauen werden, etwas zum
Lebenslauf meiner Mutter zu liefern! Proſe,
wie ihr Tod war. Den Geſang hab’ ich dem

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[126/0132] ter pflegte zu behaupten: meine Mutter ſey Schuld daran! Nicht doch, erwiederte meine Mutter, das kommt, weil er ein Chriſt iſt. Das Chriſtenthum iſt goͤttliche, himmliſche Kunſt — Die Stelle: Er ſtarb zu einer ſeligen Stunde, eben da wir den Waizen einſtreuten. Sein Leib, dies Waizenkorn Gottes, wird ſo leicht verweſen, als eine Roſe verbleicht, ſo ſanft, als Leib und Seel von ander giengen und ſich zum lez- tenmahl herzten. Die Erd iſt nicht ſo kalt, als ſie zu dieſer Jahrszeit zu ſeyn pflegt! Schaudre nicht! Ehrwuͤrdige Paſtorleiche! Die Sonne ſchlug ſo warm, rings um warm herum, als wenn ſie es auswaͤrmen wolte, und was wars fuͤr ein Rauch, den ihre Strahlen herauszogen? Weyhrauch, den ſein Engel, der auf dem Sonnenblick herabfuhr, anzuͤndete, um dies Grab zur Schlafkammer auszuluͤften — — Iſt es erlaubt, zu der Standrede des Herrn Vicars, uͤber die Seligkeit der reinen Herzen, die Gott ſchauen werden, etwas zum Lebenslauf meiner Mutter zu liefern! Proſe, wie ihr Tod war. Den Geſang hab’ ich dem Letten

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/132>, abgerufen am 28.04.2024.