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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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er schon hier im Stande, verklärt zu werden.
Es giebt Seelen von Menschen! Geister von
Menschen, sagt man nicht. Es giebt Ge-
müther, von denen man behaupten könnte,
sie hätten keine Erbsünde; allein den meisten
Menschen ist nicht um Sachen, sondern um
Worte zu thun! Welch eine Thorheit! singt
dein Vater, und das mit Recht! Nach die-
ser Fahr und Noth will ich dir lobsingen,
Gott meine Zuversicht, in deinem Heilig-
thum! als ob Gott, dem Herrn, mit einer
Hand voll Worte, mit einem Panegyrikus
gedient wäre! Handlungen, das ist die ei-
gentliche Art, mit Gott zu reden! das heißt,
ihn im Geist und Wahrheit anbeten!

Das sind mir die rechten Pastores, die
böse Hunde halten! und die Leute blos ins
Gebet einschliessen! Sie hielte die Hunde
für eine Beleidigung der Gastfreyheit --

Mein Sohn! schreibt sie mir gleich nach
meiner Abreise, bald hätt ich mein Kind ge-
schrieben, und das ist nicht Jüngchen, nicht
Mädchen. Dieser Ausdruck schickt sich für
keinen, als den Johannes den Evangelisten,
den Christus lieb hatte, mit dem er spielte --
Das war ein Kind, ein liebes Kind, im erha-
benen Sinne. Wie ich den Johannes lieb

habe!

er ſchon hier im Stande, verklaͤrt zu werden.
Es giebt Seelen von Menſchen! Geiſter von
Menſchen, ſagt man nicht. Es giebt Ge-
muͤther, von denen man behaupten koͤnnte,
ſie haͤtten keine Erbſuͤnde; allein den meiſten
Menſchen iſt nicht um Sachen, ſondern um
Worte zu thun! Welch eine Thorheit! ſingt
dein Vater, und das mit Recht! Nach die-
ſer Fahr und Noth will ich dir lobſingen,
Gott meine Zuverſicht, in deinem Heilig-
thum! als ob Gott, dem Herrn, mit einer
Hand voll Worte, mit einem Panegyrikus
gedient waͤre! Handlungen, das iſt die ei-
gentliche Art, mit Gott zu reden! das heißt,
ihn im Geiſt und Wahrheit anbeten!

Das ſind mir die rechten Paſtores, die
boͤſe Hunde halten! und die Leute blos ins
Gebet einſchlieſſen! Sie hielte die Hunde
fuͤr eine Beleidigung der Gaſtfreyheit —

Mein Sohn! ſchreibt ſie mir gleich nach
meiner Abreiſe, bald haͤtt ich mein Kind ge-
ſchrieben, und das iſt nicht Juͤngchen, nicht
Maͤdchen. Dieſer Ausdruck ſchickt ſich fuͤr
keinen, als den Johannes den Evangeliſten,
den Chriſtus lieb hatte, mit dem er ſpielte —
Das war ein Kind, ein liebes Kind, im erha-
benen Sinne. Wie ich den Johannes lieb

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[144/0150] er ſchon hier im Stande, verklaͤrt zu werden. Es giebt Seelen von Menſchen! Geiſter von Menſchen, ſagt man nicht. Es giebt Ge- muͤther, von denen man behaupten koͤnnte, ſie haͤtten keine Erbſuͤnde; allein den meiſten Menſchen iſt nicht um Sachen, ſondern um Worte zu thun! Welch eine Thorheit! ſingt dein Vater, und das mit Recht! Nach die- ſer Fahr und Noth will ich dir lobſingen, Gott meine Zuverſicht, in deinem Heilig- thum! als ob Gott, dem Herrn, mit einer Hand voll Worte, mit einem Panegyrikus gedient waͤre! Handlungen, das iſt die ei- gentliche Art, mit Gott zu reden! das heißt, ihn im Geiſt und Wahrheit anbeten! Das ſind mir die rechten Paſtores, die boͤſe Hunde halten! und die Leute blos ins Gebet einſchlieſſen! Sie hielte die Hunde fuͤr eine Beleidigung der Gaſtfreyheit — Mein Sohn! ſchreibt ſie mir gleich nach meiner Abreiſe, bald haͤtt ich mein Kind ge- ſchrieben, und das iſt nicht Juͤngchen, nicht Maͤdchen. Dieſer Ausdruck ſchickt ſich fuͤr keinen, als den Johannes den Evangeliſten, den Chriſtus lieb hatte, mit dem er ſpielte — Das war ein Kind, ein liebes Kind, im erha- benen Sinne. Wie ich den Johannes lieb habe!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/150>, abgerufen am 28.04.2024.