Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich weiß nichts hinzuzufügen, als daß die
Frau v. W -- sehr gerne ihrem Gemahl zu
Gefallen, des Herrn v. G -- halber Trauer
anlegte. Herr v. W -- that so, als ob Jun-
ker Gotthard schon würklich sein Schwieger-
sohn wäre. Beym Herrn v. W -- blieb es
bey der Trauer; allein seine Gemahlin war
so betrübt, daß die Schmähsucht zum Glimpf
und Namenbruch, wie meine Mutter sich aus-
drückte, Gelegenheit genommen hätte, wenn
nicht vom seligen v. G -- und von der v. W --
die Rede gewesen. Herr v. G -- hatte von
je her viel Freundschaft für die Frau v. W --
bewiesen. In seinem Glaubensbekenntniß
stritt er ihr die Erbsünde im theologischen
Sinne glatt ab. Gott schuf ihr Herz, pflegte
er zu sagen, im stillen sanften Mondenstrahle!
Sein Finger ist kenntlich. Sie ist das Lieb-
chen der Natur. Sie nascht ihr, wie ein
frommes Lämmchen, aus der Hand! --
Wie wahr! und wer war ein treuerer Natur-
kenner als Herr v. G --?

Meine Mutter versicherte, daß nie eine
Trauer besser gestanden, als der Frau v. W --
über ihren Freund! -- obgleich, fügte sie
hinzu, sie beyde für Gott noch keine Ver-

wandte

Ich weiß nichts hinzuzufuͤgen, als daß die
Frau v. W — ſehr gerne ihrem Gemahl zu
Gefallen, des Herrn v. G — halber Trauer
anlegte. Herr v. W — that ſo, als ob Jun-
ker Gotthard ſchon wuͤrklich ſein Schwieger-
ſohn waͤre. Beym Herrn v. W — blieb es
bey der Trauer; allein ſeine Gemahlin war
ſo betruͤbt, daß die Schmaͤhſucht zum Glimpf
und Namenbruch, wie meine Mutter ſich aus-
druͤckte, Gelegenheit genommen haͤtte, wenn
nicht vom ſeligen v. G — und von der v. W —
die Rede geweſen. Herr v. G — hatte von
je her viel Freundſchaft fuͤr die Frau v. W —
bewieſen. In ſeinem Glaubensbekenntniß
ſtritt er ihr die Erbſuͤnde im theologiſchen
Sinne glatt ab. Gott ſchuf ihr Herz, pflegte
er zu ſagen, im ſtillen ſanften Mondenſtrahle!
Sein Finger iſt kenntlich. Sie iſt das Lieb-
chen der Natur. Sie naſcht ihr, wie ein
frommes Laͤmmchen, aus der Hand! —
Wie wahr! und wer war ein treuerer Natur-
kenner als Herr v. G —?

Meine Mutter verſicherte, daß nie eine
Trauer beſſer geſtanden, als der Frau v. W —
uͤber ihren Freund! — obgleich, fuͤgte ſie
hinzu, ſie beyde fuͤr Gott noch keine Ver-

wandte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0278" n="272"/>
        <p>Ich weiß nichts hinzuzufu&#x0364;gen, als daß die<lb/>
Frau v. W &#x2014; &#x017F;ehr gerne ihrem Gemahl zu<lb/>
Gefallen, des Herrn v. G &#x2014; halber Trauer<lb/>
anlegte. Herr v. W &#x2014; that &#x017F;o, als ob Jun-<lb/>
ker Gotthard &#x017F;chon wu&#x0364;rklich &#x017F;ein Schwieger-<lb/>
&#x017F;ohn wa&#x0364;re. Beym Herrn v. W &#x2014; blieb es<lb/>
bey der Trauer; allein &#x017F;eine Gemahlin war<lb/>
&#x017F;o betru&#x0364;bt, daß die Schma&#x0364;h&#x017F;ucht zum Glimpf<lb/>
und Namenbruch, wie meine Mutter &#x017F;ich aus-<lb/>
dru&#x0364;ckte, Gelegenheit genommen ha&#x0364;tte, wenn<lb/>
nicht vom &#x017F;eligen v. G &#x2014; und von der v. W &#x2014;<lb/>
die Rede gewe&#x017F;en. Herr v. G &#x2014; hatte von<lb/>
je her viel Freund&#x017F;chaft fu&#x0364;r die Frau v. W &#x2014;<lb/>
bewie&#x017F;en. In &#x017F;einem Glaubensbekenntniß<lb/>
&#x017F;tritt er ihr die Erb&#x017F;u&#x0364;nde im theologi&#x017F;chen<lb/>
Sinne glatt ab. Gott &#x017F;chuf ihr Herz, pflegte<lb/>
er zu &#x017F;agen, im &#x017F;tillen &#x017F;anften Monden&#x017F;trahle!<lb/>
Sein Finger i&#x017F;t kenntlich. Sie i&#x017F;t das Lieb-<lb/>
chen der Natur. Sie na&#x017F;cht ihr, wie ein<lb/>
frommes La&#x0364;mmchen, aus der Hand! &#x2014;<lb/>
Wie wahr! und wer war ein treuerer Natur-<lb/>
kenner als Herr v. G &#x2014;?</p><lb/>
        <p>Meine Mutter ver&#x017F;icherte, daß nie eine<lb/>
Trauer be&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;tanden, als der Frau v. W &#x2014;<lb/>
u&#x0364;ber ihren Freund! &#x2014; obgleich, fu&#x0364;gte &#x017F;ie<lb/>
hinzu, &#x017F;ie beyde fu&#x0364;r Gott noch keine Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wandte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[272/0278] Ich weiß nichts hinzuzufuͤgen, als daß die Frau v. W — ſehr gerne ihrem Gemahl zu Gefallen, des Herrn v. G — halber Trauer anlegte. Herr v. W — that ſo, als ob Jun- ker Gotthard ſchon wuͤrklich ſein Schwieger- ſohn waͤre. Beym Herrn v. W — blieb es bey der Trauer; allein ſeine Gemahlin war ſo betruͤbt, daß die Schmaͤhſucht zum Glimpf und Namenbruch, wie meine Mutter ſich aus- druͤckte, Gelegenheit genommen haͤtte, wenn nicht vom ſeligen v. G — und von der v. W — die Rede geweſen. Herr v. G — hatte von je her viel Freundſchaft fuͤr die Frau v. W — bewieſen. In ſeinem Glaubensbekenntniß ſtritt er ihr die Erbſuͤnde im theologiſchen Sinne glatt ab. Gott ſchuf ihr Herz, pflegte er zu ſagen, im ſtillen ſanften Mondenſtrahle! Sein Finger iſt kenntlich. Sie iſt das Lieb- chen der Natur. Sie naſcht ihr, wie ein frommes Laͤmmchen, aus der Hand! — Wie wahr! und wer war ein treuerer Natur- kenner als Herr v. G —? Meine Mutter verſicherte, daß nie eine Trauer beſſer geſtanden, als der Frau v. W — uͤber ihren Freund! — obgleich, fuͤgte ſie hinzu, ſie beyde fuͤr Gott noch keine Ver- wandte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/278
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/278>, abgerufen am 14.05.2024.