Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

ritzchen gegen Kriegsblitze? -- Zwar lebt jeder
seines Lebens, zwar stirbt jeder seines Todes,
jedem ist sein Pfund Leben und sein Pfund Tod
zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengrä-
ber sehr einsichtsvoll behauptet; doch glaub ich,
daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver-
graben, und mancher damit wuchern kann.
Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge-
bohrnen, ist er nicht der reichlichste? Er trägt
tausendfältig und zwar Leben und Tod. Kaum
lebt man, wenn man den Tod nicht in der
Nachbarschaft hat. Die weisesten Leute ha-
ben von je her Todesbetrachtungen für Lebens-
regeln gehalten. Wo ist der Tod bey lebendi-
gem Leibe dem Gesunden, dem Starken so nah,
als im Kriege? --

Wo kann man an ihn mit mehr Leibes-
und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr
Weisen des Alterthums, und ihr der neuern
Zeit, warum habt ihr nicht über Kriegstod
geschrieben? -- Sie, hochgebohrner Todten-
gräber, warum nicht über den Kriegstod eine
Redübung angestelt? Weil der Krieg eine
von den Künsten ist, welche die Menschen ge-
sucht haben, die von Gott aufrichtig gemacht
sind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder
Weise, im Privatkreise alles zum Guten lenkt,

so
Z 4

ritzchen gegen Kriegsblitze? — Zwar lebt jeder
ſeines Lebens, zwar ſtirbt jeder ſeines Todes,
jedem iſt ſein Pfund Leben und ſein Pfund Tod
zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengraͤ-
ber ſehr einſichtsvoll behauptet; doch glaub ich,
daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver-
graben, und mancher damit wuchern kann.
Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge-
bohrnen, iſt er nicht der reichlichſte? Er traͤgt
tauſendfaͤltig und zwar Leben und Tod. Kaum
lebt man, wenn man den Tod nicht in der
Nachbarſchaft hat. Die weiſeſten Leute ha-
ben von je her Todesbetrachtungen fuͤr Lebens-
regeln gehalten. Wo iſt der Tod bey lebendi-
gem Leibe dem Geſunden, dem Starken ſo nah,
als im Kriege? —

Wo kann man an ihn mit mehr Leibes-
und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr
Weiſen des Alterthums, und ihr der neuern
Zeit, warum habt ihr nicht uͤber Kriegstod
geſchrieben? — Sie, hochgebohrner Todten-
graͤber, warum nicht uͤber den Kriegstod eine
Reduͤbung angeſtelt? Weil der Krieg eine
von den Kuͤnſten iſt, welche die Menſchen ge-
ſucht haben, die von Gott aufrichtig gemacht
ſind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder
Weiſe, im Privatkreiſe alles zum Guten lenkt,

ſo
Z 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0367" n="359"/>
ritzchen gegen Kriegsblitze? &#x2014; Zwar lebt jeder<lb/>
&#x017F;eines Lebens, zwar &#x017F;tirbt jeder &#x017F;eines Todes,<lb/>
jedem i&#x017F;t &#x017F;ein Pfund Leben und &#x017F;ein Pfund Tod<lb/>
zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengra&#x0364;-<lb/>
ber &#x017F;ehr ein&#x017F;ichtsvoll behauptet; doch glaub ich,<lb/>
daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver-<lb/>
graben, und mancher damit wuchern kann.<lb/>
Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge-<lb/>
bohrnen, i&#x017F;t er nicht der reichlich&#x017F;te? Er tra&#x0364;gt<lb/>
tau&#x017F;endfa&#x0364;ltig und zwar Leben und Tod. Kaum<lb/>
lebt man, wenn man den Tod nicht in der<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft hat. Die wei&#x017F;e&#x017F;ten Leute ha-<lb/>
ben von je her Todesbetrachtungen fu&#x0364;r Lebens-<lb/>
regeln gehalten. Wo i&#x017F;t der Tod bey lebendi-<lb/>
gem Leibe dem Ge&#x017F;unden, dem Starken &#x017F;o nah,<lb/>
als im Kriege? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wo kann man an ihn mit mehr Leibes-<lb/>
und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr<lb/>
Wei&#x017F;en des Alterthums, und ihr der neuern<lb/>
Zeit, warum habt ihr nicht u&#x0364;ber Kriegstod<lb/>
ge&#x017F;chrieben? &#x2014; Sie, hochgebohrner Todten-<lb/>
gra&#x0364;ber, warum nicht u&#x0364;ber den Kriegstod eine<lb/>
Redu&#x0364;bung ange&#x017F;telt? Weil der Krieg eine<lb/>
von den Ku&#x0364;n&#x017F;ten i&#x017F;t, welche die Men&#x017F;chen ge-<lb/>
&#x017F;ucht haben, die von Gott aufrichtig gemacht<lb/>
&#x017F;ind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder<lb/>
Wei&#x017F;e, im Privatkrei&#x017F;e alles zum Guten lenkt,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 4</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;o</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0367] ritzchen gegen Kriegsblitze? — Zwar lebt jeder ſeines Lebens, zwar ſtirbt jeder ſeines Todes, jedem iſt ſein Pfund Leben und ſein Pfund Tod zugewogen, wie der hochgebohrne Todtengraͤ- ber ſehr einſichtsvoll behauptet; doch glaub ich, daß mancher dies Pfund ins Schweistuch ver- graben, und mancher damit wuchern kann. Der Kriegswucher, was meynen Ew. Hochge- bohrnen, iſt er nicht der reichlichſte? Er traͤgt tauſendfaͤltig und zwar Leben und Tod. Kaum lebt man, wenn man den Tod nicht in der Nachbarſchaft hat. Die weiſeſten Leute ha- ben von je her Todesbetrachtungen fuͤr Lebens- regeln gehalten. Wo iſt der Tod bey lebendi- gem Leibe dem Geſunden, dem Starken ſo nah, als im Kriege? — Wo kann man an ihn mit mehr Leibes- und Seelenkraft denken, als eben hier? Ihr Weiſen des Alterthums, und ihr der neuern Zeit, warum habt ihr nicht uͤber Kriegstod geſchrieben? — Sie, hochgebohrner Todten- graͤber, warum nicht uͤber den Kriegstod eine Reduͤbung angeſtelt? Weil der Krieg eine von den Kuͤnſten iſt, welche die Menſchen ge- ſucht haben, die von Gott aufrichtig gemacht ſind! Wahr! allein auch wahr, daß jeder Weiſe, im Privatkreiſe alles zum Guten lenkt, ſo Z 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/367
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/367>, abgerufen am 15.05.2024.