Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Commandeur braucht nichts, als Kopf! Ein
Vorurtheil thut hier oft Wunder! Richelieu
will zwar einen herzhaften General; allein
Richelieu war ein Geistlicher. Wie kommts,
daß kluge Leute so sehr viel auf herzhafte Leute
halten? und daß sie untereinander sich nicht
sonderlich ausstehen? Sie sehen zu sehr ein,
daß man mit dem Verstande eben nicht weit
kommen kann, und wollen doch wo, den Men-
schen stark finden! O ihr kluge, liebe, gute
Herren! Laßt euch sagen, auch das mensch-
liche Herz ist ein trotzig und verzagt Ding;
wer kann es ergründen?

Es ist ein altes Sprüchwort: Wer zum
erstenmal nach Rom reiset, sucht den Schalk.
Zum zweytenmal findet er ihn. Zum dritten
mal bringt er ihn mit.

Ey, wenn ich das auf den Krieg deuten
würde! --

Ich hoffe, große Kriege werden abkom-
men; so wie man den dreyßigjährigen über
einige hundert Jahre nicht mehr Glauben bey-
messen wird. Wozu sind auch Kriege, selbst
noch ehe das Reich Gottes kommt, wozu? --
So wenig durch Disputationen die Wahrheit
ausgemacht wird, so wenig entscheiden Siege.
Darf ich rathen? hohe Herren, denkt mehr

eure

Commandeur braucht nichts, als Kopf! Ein
Vorurtheil thut hier oft Wunder! Richelieu
will zwar einen herzhaften General; allein
Richelieu war ein Geiſtlicher. Wie kommts,
daß kluge Leute ſo ſehr viel auf herzhafte Leute
halten? und daß ſie untereinander ſich nicht
ſonderlich ausſtehen? Sie ſehen zu ſehr ein,
daß man mit dem Verſtande eben nicht weit
kommen kann, und wollen doch wo, den Men-
ſchen ſtark finden! O ihr kluge, liebe, gute
Herren! Laßt euch ſagen, auch das menſch-
liche Herz iſt ein trotzig und verzagt Ding;
wer kann es ergruͤnden?

Es iſt ein altes Spruͤchwort: Wer zum
erſtenmal nach Rom reiſet, ſucht den Schalk.
Zum zweytenmal findet er ihn. Zum dritten
mal bringt er ihn mit.

Ey, wenn ich das auf den Krieg deuten
wuͤrde! —

Ich hoffe, große Kriege werden abkom-
men; ſo wie man den dreyßigjaͤhrigen uͤber
einige hundert Jahre nicht mehr Glauben bey-
meſſen wird. Wozu ſind auch Kriege, ſelbſt
noch ehe das Reich Gottes kommt, wozu? —
So wenig durch Diſputationen die Wahrheit
ausgemacht wird, ſo wenig entſcheiden Siege.
Darf ich rathen? hohe Herren, denkt mehr

eure
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0371" n="363"/>
Commandeur braucht nichts, als Kopf! Ein<lb/>
Vorurtheil thut hier oft Wunder! <hi rendition="#fr">Richelieu</hi><lb/>
will zwar einen herzhaften General; allein<lb/><hi rendition="#fr">Richelieu</hi> war ein Gei&#x017F;tlicher. Wie kommts,<lb/>
daß kluge Leute &#x017F;o &#x017F;ehr viel auf herzhafte Leute<lb/>
halten? und daß &#x017F;ie untereinander &#x017F;ich nicht<lb/>
&#x017F;onderlich aus&#x017F;tehen? Sie &#x017F;ehen zu &#x017F;ehr ein,<lb/>
daß man mit dem Ver&#x017F;tande eben nicht weit<lb/>
kommen kann, und wollen doch wo, den Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;tark finden! O ihr kluge, liebe, gute<lb/>
Herren! Laßt euch &#x017F;agen, auch das men&#x017F;ch-<lb/>
liche Herz i&#x017F;t ein trotzig und verzagt Ding;<lb/>
wer kann es ergru&#x0364;nden?</p><lb/>
        <p>Es i&#x017F;t ein altes Spru&#x0364;chwort: Wer zum<lb/>
er&#x017F;tenmal nach Rom rei&#x017F;et, &#x017F;ucht den Schalk.<lb/>
Zum zweytenmal findet er ihn. Zum dritten<lb/>
mal bringt er ihn mit.</p><lb/>
        <p>Ey, wenn ich das auf den Krieg deuten<lb/>
wu&#x0364;rde! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich hoffe, große Kriege werden abkom-<lb/>
men; &#x017F;o wie man den dreyßigja&#x0364;hrigen u&#x0364;ber<lb/>
einige hundert Jahre nicht mehr Glauben bey-<lb/>
me&#x017F;&#x017F;en wird. Wozu &#x017F;ind auch Kriege, &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
noch ehe das Reich Gottes kommt, wozu? &#x2014;<lb/>
So wenig durch Di&#x017F;putationen die Wahrheit<lb/>
ausgemacht wird, &#x017F;o wenig ent&#x017F;cheiden Siege.<lb/>
Darf ich rathen? hohe Herren, denkt mehr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">eure</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[363/0371] Commandeur braucht nichts, als Kopf! Ein Vorurtheil thut hier oft Wunder! Richelieu will zwar einen herzhaften General; allein Richelieu war ein Geiſtlicher. Wie kommts, daß kluge Leute ſo ſehr viel auf herzhafte Leute halten? und daß ſie untereinander ſich nicht ſonderlich ausſtehen? Sie ſehen zu ſehr ein, daß man mit dem Verſtande eben nicht weit kommen kann, und wollen doch wo, den Men- ſchen ſtark finden! O ihr kluge, liebe, gute Herren! Laßt euch ſagen, auch das menſch- liche Herz iſt ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergruͤnden? Es iſt ein altes Spruͤchwort: Wer zum erſtenmal nach Rom reiſet, ſucht den Schalk. Zum zweytenmal findet er ihn. Zum dritten mal bringt er ihn mit. Ey, wenn ich das auf den Krieg deuten wuͤrde! — Ich hoffe, große Kriege werden abkom- men; ſo wie man den dreyßigjaͤhrigen uͤber einige hundert Jahre nicht mehr Glauben bey- meſſen wird. Wozu ſind auch Kriege, ſelbſt noch ehe das Reich Gottes kommt, wozu? — So wenig durch Diſputationen die Wahrheit ausgemacht wird, ſo wenig entſcheiden Siege. Darf ich rathen? hohe Herren, denkt mehr eure

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/371
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/371>, abgerufen am 15.05.2024.