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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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ich mich dem Pastor zu erkennen, wie seinem
Bruder, dem Königlichen Rath, der es ei-
nen Ueberfall nannte, und der drüber um
eine Nacht kam, ich weiß nicht wie. Wie
es mit Minens Grabe stünde, war meine erste
Frage, in die sich unser Pastor nicht finden
konnte. Ich umarmte ihn, und ohne ihn
zur Antwort zu laßen, die er von der Ueber-
legung borgen wolte, nahm ich ihn bey der
Hand und da waren wir! -- Nach der
Zeit hat er mich versichert, daß ihm noch
selbst auf dem Wege alles wie ein Traum
gewesen! Da! sagt er, liegt mein Weib,
Minens Nachbarin! Es war kurz vor Ostern
und schon war Minens Grab so grün! so
schön! --

Der Pastor verlies mich, um, wie ich
nach der Zeit sahe, von Haupt zu Fuß sich
umzukleiden. Ich sah gen Himmel, warf
mich auf die Erde, auf die heilige Minen ge-
weihte Erde! Ich konnte nicht weinen! --
Mine! Mine! war alles, was ich konnte.
Ich warf mich mit einer Heftigkeit aufs
Grab, die kein Wort aufkommen lies, die
es erdrückt haben würde, wie ein Grausa-
mer einen Wurm, der sich krümmt -- und
siehe da! so wie ich hinstürzte, fiel das Grab

ein!

ich mich dem Paſtor zu erkennen, wie ſeinem
Bruder, dem Koͤniglichen Rath, der es ei-
nen Ueberfall nannte, und der druͤber um
eine Nacht kam, ich weiß nicht wie. Wie
es mit Minens Grabe ſtuͤnde, war meine erſte
Frage, in die ſich unſer Paſtor nicht finden
konnte. Ich umarmte ihn, und ohne ihn
zur Antwort zu laßen, die er von der Ueber-
legung borgen wolte, nahm ich ihn bey der
Hand und da waren wir! — Nach der
Zeit hat er mich verſichert, daß ihm noch
ſelbſt auf dem Wege alles wie ein Traum
geweſen! Da! ſagt er, liegt mein Weib,
Minens Nachbarin! Es war kurz vor Oſtern
und ſchon war Minens Grab ſo gruͤn! ſo
ſchoͤn! —

Der Paſtor verlies mich, um, wie ich
nach der Zeit ſahe, von Haupt zu Fuß ſich
umzukleiden. Ich ſah gen Himmel, warf
mich auf die Erde, auf die heilige Minen ge-
weihte Erde! Ich konnte nicht weinen! —
Mine! Mine! war alles, was ich konnte.
Ich warf mich mit einer Heftigkeit aufs
Grab, die kein Wort aufkommen lies, die
es erdruͤckt haben wuͤrde, wie ein Grauſa-
mer einen Wurm, der ſich kruͤmmt — und
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[394/0402] ich mich dem Paſtor zu erkennen, wie ſeinem Bruder, dem Koͤniglichen Rath, der es ei- nen Ueberfall nannte, und der druͤber um eine Nacht kam, ich weiß nicht wie. Wie es mit Minens Grabe ſtuͤnde, war meine erſte Frage, in die ſich unſer Paſtor nicht finden konnte. Ich umarmte ihn, und ohne ihn zur Antwort zu laßen, die er von der Ueber- legung borgen wolte, nahm ich ihn bey der Hand und da waren wir! — Nach der Zeit hat er mich verſichert, daß ihm noch ſelbſt auf dem Wege alles wie ein Traum geweſen! Da! ſagt er, liegt mein Weib, Minens Nachbarin! Es war kurz vor Oſtern und ſchon war Minens Grab ſo gruͤn! ſo ſchoͤn! — Der Paſtor verlies mich, um, wie ich nach der Zeit ſahe, von Haupt zu Fuß ſich umzukleiden. Ich ſah gen Himmel, warf mich auf die Erde, auf die heilige Minen ge- weihte Erde! Ich konnte nicht weinen! — Mine! Mine! war alles, was ich konnte. Ich warf mich mit einer Heftigkeit aufs Grab, die kein Wort aufkommen lies, die es erdruͤckt haben wuͤrde, wie ein Grauſa- mer einen Wurm, der ſich kruͤmmt — und ſiehe da! ſo wie ich hinſtuͤrzte, fiel das Grab ein!

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/402>, abgerufen am 16.05.2024.