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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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nur einen Durchzug gehalten, wenn nicht
der Auftrag mich auf andere Gedanken ge-
bracht. So viel nahm sich mein lieber Herr
Amtmann die Erlaubnis gleich zu bemer-
ken, daß die einzige Baronesse Tochter seiner
Hochwohlgebohrnen Herrschaft morgen prie-
sterlich verlobt werden solte! -- Da ich
daran keinen Antheil nahm, vielmehr sehr
zufrieden war, dieses Haus in seiner hoch-
zeitlichen Freude nicht gestöhrt zu haben; so
verschwand mein lieber Herr Amtmann,
und kam mit einem Livereybedienten zurück,
der sich noch die eben angelegten Manschet-
ten und Halsbinde zurecht zog. Beyde
stimmten gegen einander ein Duett von Bitte
an, von Sr. Hochwohlgebohrnen ein Nacht-
lager anzunehmen. Diese Art hätte mich
ohne Nachfrage darauf bringen können, wo
ich war. Soll ich es meinen Lesern noch be-
sonders anzeigen, daß Herr v. W -- hier
sein Feur und Heerd hat? ha, dacht' ich, nun
weiß ich, warum mein guter Gotthard sich
nicht in Mitau eingefunden. Er hat ein lie-
bes Weib genommen, darum konnt' er nicht
kommen, und freute mich, daß Fräulein
Tinchen (so ward sie seit einiger Zeit genannt,
weil ein Lorchen in dieser Gegend, kein gutes

Lor-

nur einen Durchzug gehalten, wenn nicht
der Auftrag mich auf andere Gedanken ge-
bracht. So viel nahm ſich mein lieber Herr
Amtmann die Erlaubnis gleich zu bemer-
ken, daß die einzige Baroneſſe Tochter ſeiner
Hochwohlgebohrnen Herrſchaft morgen prie-
ſterlich verlobt werden ſolte! — Da ich
daran keinen Antheil nahm, vielmehr ſehr
zufrieden war, dieſes Haus in ſeiner hoch-
zeitlichen Freude nicht geſtoͤhrt zu haben; ſo
verſchwand mein lieber Herr Amtmann,
und kam mit einem Livereybedienten zuruͤck,
der ſich noch die eben angelegten Manſchet-
ten und Halsbinde zurecht zog. Beyde
ſtimmten gegen einander ein Duett von Bitte
an, von Sr. Hochwohlgebohrnen ein Nacht-
lager anzunehmen. Dieſe Art haͤtte mich
ohne Nachfrage darauf bringen koͤnnen, wo
ich war. Soll ich es meinen Leſern noch be-
ſonders anzeigen, daß Herr v. W — hier
ſein Feur und Heerd hat? ha, dacht’ ich, nun
weiß ich, warum mein guter Gotthard ſich
nicht in Mitau eingefunden. Er hat ein lie-
bes Weib genommen, darum konnt’ er nicht
kommen, und freute mich, daß Fraͤulein
Tinchen (ſo ward ſie ſeit einiger Zeit genannt,
weil ein Lorchen in dieſer Gegend, kein gutes

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[434/0442] nur einen Durchzug gehalten, wenn nicht der Auftrag mich auf andere Gedanken ge- bracht. So viel nahm ſich mein lieber Herr Amtmann die Erlaubnis gleich zu bemer- ken, daß die einzige Baroneſſe Tochter ſeiner Hochwohlgebohrnen Herrſchaft morgen prie- ſterlich verlobt werden ſolte! — Da ich daran keinen Antheil nahm, vielmehr ſehr zufrieden war, dieſes Haus in ſeiner hoch- zeitlichen Freude nicht geſtoͤhrt zu haben; ſo verſchwand mein lieber Herr Amtmann, und kam mit einem Livereybedienten zuruͤck, der ſich noch die eben angelegten Manſchet- ten und Halsbinde zurecht zog. Beyde ſtimmten gegen einander ein Duett von Bitte an, von Sr. Hochwohlgebohrnen ein Nacht- lager anzunehmen. Dieſe Art haͤtte mich ohne Nachfrage darauf bringen koͤnnen, wo ich war. Soll ich es meinen Leſern noch be- ſonders anzeigen, daß Herr v. W — hier ſein Feur und Heerd hat? ha, dacht’ ich, nun weiß ich, warum mein guter Gotthard ſich nicht in Mitau eingefunden. Er hat ein lie- bes Weib genommen, darum konnt’ er nicht kommen, und freute mich, daß Fraͤulein Tinchen (ſo ward ſie ſeit einiger Zeit genannt, weil ein Lorchen in dieſer Gegend, kein gutes Lor-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/442>, abgerufen am 15.05.2024.