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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781.

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uns, und meinen Schutzengel kann ich nicht
gehen heissen. -- Bleib, Lieber! Dieses
kurze: Bleib, Lieber! zu etwas, das die Frau
v -- nicht sahe, würde sie sonst zum Lachen
gebracht haben; jetzt wandelte sie kein Lachen
an. Auch diese meine Collegin, fuhr die Se-
lige fort, darf nicht von mir. Sie hat mein
Herz, und weiß meine ganze Sterbensge-
schichte. Nach einigen Erhohlungsaugenblik-
ken versicherte die Frau v --, daß sie eine
Bitte an die Selige hätte, die sie wohl über-
dacht. -- Im Namen Gottes, erwiederte die
Selige. Ich glaube, fuhr die Frau v --
fort, an Gott den Vater, allmächtigen Schö-
pfer Himmels und der Erden, und ehre in
tiefster Demuth alle die Wege, die er mit den
armen Menschen, seinen Geschöpfen, einge-
schlagen, um sie zur Erkenntnis der Wahrheit
zu bringen -- ich glaube -- doch unterbrach
sie sich selbst, sie wissen was ich glaube. Ich
weiß, sagte die Selige mit aller Ueberzeugung,
und legte eben hiedurch ein Zeichen von ihrer
Uebernatur ab: denn mir kam es vor, daß die
Frau v -- selbst nicht recht wußte, was sie
glaubte. Gern, ich leugne es nicht, hätte ich
sie den zweyten und dritten Artikel des christli-
chen Glaubens beten gehört. -- So beschwör

ich

uns, und meinen Schutzengel kann ich nicht
gehen heiſſen. — Bleib, Lieber! Dieſes
kurze: Bleib, Lieber! zu etwas, das die Frau
v — nicht ſahe, wuͤrde ſie ſonſt zum Lachen
gebracht haben; jetzt wandelte ſie kein Lachen
an. Auch dieſe meine Collegin, fuhr die Se-
lige fort, darf nicht von mir. Sie hat mein
Herz, und weiß meine ganze Sterbensge-
ſchichte. Nach einigen Erhohlungsaugenblik-
ken verſicherte die Frau v —, daß ſie eine
Bitte an die Selige haͤtte, die ſie wohl uͤber-
dacht. — Im Namen Gottes, erwiederte die
Selige. Ich glaube, fuhr die Frau v —
fort, an Gott den Vater, allmaͤchtigen Schoͤ-
pfer Himmels und der Erden, und ehre in
tiefſter Demuth alle die Wege, die er mit den
armen Menſchen, ſeinen Geſchoͤpfen, einge-
ſchlagen, um ſie zur Erkenntnis der Wahrheit
zu bringen — ich glaube — doch unterbrach
ſie ſich ſelbſt, ſie wiſſen was ich glaube. Ich
weiß, ſagte die Selige mit aller Ueberzeugung,
und legte eben hiedurch ein Zeichen von ihrer
Uebernatur ab: denn mir kam es vor, daß die
Frau v — ſelbſt nicht recht wußte, was ſie
glaubte. Gern, ich leugne es nicht, haͤtte ich
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[80/0086] uns, und meinen Schutzengel kann ich nicht gehen heiſſen. — Bleib, Lieber! Dieſes kurze: Bleib, Lieber! zu etwas, das die Frau v — nicht ſahe, wuͤrde ſie ſonſt zum Lachen gebracht haben; jetzt wandelte ſie kein Lachen an. Auch dieſe meine Collegin, fuhr die Se- lige fort, darf nicht von mir. Sie hat mein Herz, und weiß meine ganze Sterbensge- ſchichte. Nach einigen Erhohlungsaugenblik- ken verſicherte die Frau v —, daß ſie eine Bitte an die Selige haͤtte, die ſie wohl uͤber- dacht. — Im Namen Gottes, erwiederte die Selige. Ich glaube, fuhr die Frau v — fort, an Gott den Vater, allmaͤchtigen Schoͤ- pfer Himmels und der Erden, und ehre in tiefſter Demuth alle die Wege, die er mit den armen Menſchen, ſeinen Geſchoͤpfen, einge- ſchlagen, um ſie zur Erkenntnis der Wahrheit zu bringen — ich glaube — doch unterbrach ſie ſich ſelbſt, ſie wiſſen was ich glaube. Ich weiß, ſagte die Selige mit aller Ueberzeugung, und legte eben hiedurch ein Zeichen von ihrer Uebernatur ab: denn mir kam es vor, daß die Frau v — ſelbſt nicht recht wußte, was ſie glaubte. Gern, ich leugne es nicht, haͤtte ich ſie den zweyten und dritten Artikel des chriſtli- chen Glaubens beten gehoͤrt. — So beſchwoͤr ich

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 3,2. Berlin, 1781, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe0302_1781/86>, abgerufen am 05.05.2024.