ist also keines Tadels werth, wol aber der Miß- brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann. Es erweckt indeß eben kein günstiges Vorurtheil für die Frauenzimmer, wenn sie sich alles in Kalendern auftischen lassen, und diesen magern Tisch mit einigen Schaugerichten besetzt, noch obendrein theuer bezahlen. Der Geschmack ist verschieden; der jedesmal herrschende wird Ge- setz, und diesem fügt sich auch ein weiser Mann, daher sich verdienstvolle Gelehrte darnach beque- men und unter den Schaugerichten etwas nütz- liches aussetzen. Wenn ich kurz meine Meinung sagen soll: so ist dieser Theil der Modelektüre nicht nur der unschädlichste sondern auch der nüz- lichste, und kann bei immer zweckmäßigerer Ein- richtung sehr nüzlich werden. Sollte der für das neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage schon längst projektirte neue Kalender mit einem zu wünschenden Conklusum von Einführung ei- nes allgemeinen deutschen Maaßes, Gewichts und Münzen zu Stande kommen, und mit ei- nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Bü- chelchen ins Publikum treten: so kaufe ich mir selbst alle Jahre zwei. Auch die Almanachs sind ganz gut, besonders die historischen; es muß ja nun einmal alles überzuckert werden, damit es den Frauenzimmer schmecke. Ueberdem erschei-
iſt alſo keines Tadels werth, wol aber der Miß- brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann. Es erweckt indeß eben kein guͤnſtiges Vorurtheil fuͤr die Frauenzimmer, wenn ſie ſich alles in Kalendern auftiſchen laſſen, und dieſen magern Tiſch mit einigen Schaugerichten beſetzt, noch obendrein theuer bezahlen. Der Geſchmack iſt verſchieden; der jedesmal herrſchende wird Ge- ſetz, und dieſem fuͤgt ſich auch ein weiſer Mann, daher ſich verdienſtvolle Gelehrte darnach beque- men und unter den Schaugerichten etwas nuͤtz- liches auſſetzen. Wenn ich kurz meine Meinung ſagen ſoll: ſo iſt dieſer Theil der Modelektuͤre nicht nur der unſchaͤdlichſte ſondern auch der nuͤz- lichſte, und kann bei immer zweckmaͤßigerer Ein- richtung ſehr nuͤzlich werden. Sollte der fuͤr das neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage ſchon laͤngſt projektirte neue Kalender mit einem zu wuͤnſchenden Conkluſum von Einfuͤhrung ei- nes allgemeinen deutſchen Maaßes, Gewichts und Muͤnzen zu Stande kommen, und mit ei- nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Buͤ- chelchen ins Publikum treten: ſo kaufe ich mir ſelbſt alle Jahre zwei. Auch die Almanachs ſind ganz gut, beſonders die hiſtoriſchen; es muß ja nun einmal alles uͤberzuckert werden, damit es den Frauenzimmer ſchmecke. Ueberdem erſchei-
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iſt alſo keines Tadels werth, wol aber der Miß-
brauch, der das gute in der Wirkung hindern kann.
Es erweckt indeß eben kein guͤnſtiges Vorurtheil
fuͤr die Frauenzimmer, wenn ſie ſich alles in
Kalendern auftiſchen laſſen, und dieſen magern
Tiſch mit einigen Schaugerichten beſetzt, noch
obendrein theuer bezahlen. Der Geſchmack iſt
verſchieden; der jedesmal herrſchende wird Ge-
ſetz, und dieſem fuͤgt ſich auch ein weiſer Mann,
daher ſich verdienſtvolle Gelehrte darnach beque-
men und unter den Schaugerichten etwas nuͤtz-
liches auſſetzen. Wenn ich kurz meine Meinung
ſagen ſoll: ſo iſt dieſer Theil der Modelektuͤre
nicht nur der unſchaͤdlichſte ſondern auch der nuͤz-
lichſte, und kann bei immer zweckmaͤßigerer Ein-
richtung ſehr nuͤzlich werden. Sollte der fuͤr das
neunzehnte Jahrhundert auf dem Reichstage
ſchon laͤngſt projektirte neue Kalender mit einem
zu wuͤnſchenden Conkluſum von Einfuͤhrung ei-
nes allgemeinen deutſchen Maaßes, Gewichts
und Muͤnzen zu Stande kommen, und mit ei-
nem, jedesmal etwas neues enthaltenden Buͤ-
chelchen ins Publikum treten: ſo kaufe ich mir
ſelbſt alle Jahre zwei. Auch die Almanachs ſind
ganz gut, beſonders die hiſtoriſchen; es muß ja
nun einmal alles uͤberzuckert werden, damit es
den Frauenzimmer ſchmecke. Ueberdem erſchei-
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Johann Gottfried, Hoche: Vertraute Briefe über die jetzige abentheuerliche Lesesucht. Hannover, 1794, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoche_lesesucht_1794/63>, abgerufen am 14.06.2024.
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