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Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und die lange Straße so einsam und düster vor mir liegen sah. Da übermannte mich das Elend, mir ward schwindlig und ich mußte den Kopf gegen die Wand lehnen. Das zu hören und das zu sehen! Solch ein junges, frisches, üppiges Leben, solche Lebenskraft, solch ein Fleisch und Blut, solch ein Gemüth! Und daneben die armen Geschöpfe, die all ihr Leben und Lieben von ihm und in ihm hatten! und die dennoch wußten, morgen ist alles zu Ende! Morgen wird er dahin gerufen, und muß dahin auf seinen eigenen Füßen gehen, wohin uns nur der Wagen führt oder die Bahre trägt! Es war zu viel für eine menschliche Fassung, und ich stand da wie gelähmt, wie todt, und wußte nichts weiter, als was ich vorhin selbst zu ihm gesagt und was ich noch immer sage: Rolof, mein Junge, mein Herz und mein Lieb, warum hast du mir das gethan!

Wie ich dort weg und zum Obersten gekommen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich vor ihm stand, und daß er mich fragte: Was bringst du mir, mein armer Sohn? Bittet er um Begnadigung ? Wir schicken gleich den Courier ab, bis übermorgen ist Alles in Ordnung; das Gassenlaufen wird sich auch schon machen. -- Begnadigung? erwiderte ich. Nein, Herr Oberst. Was er verdient, muß er leiden, es ist einmal nicht anders. Er hat sein Recht, und das muß ihm bleiben; da kann selbst der allergnädigste König nichts mehr daran ändern. Darum bitt' ich nicht.

Ihr seid Starrköpfe, sagte er; aber was willst

und die lange Straße so einsam und düster vor mir liegen sah. Da übermannte mich das Elend, mir ward schwindlig und ich mußte den Kopf gegen die Wand lehnen. Das zu hören und das zu sehen! Solch ein junges, frisches, üppiges Leben, solche Lebenskraft, solch ein Fleisch und Blut, solch ein Gemüth! Und daneben die armen Geschöpfe, die all ihr Leben und Lieben von ihm und in ihm hatten! und die dennoch wußten, morgen ist alles zu Ende! Morgen wird er dahin gerufen, und muß dahin auf seinen eigenen Füßen gehen, wohin uns nur der Wagen führt oder die Bahre trägt! Es war zu viel für eine menschliche Fassung, und ich stand da wie gelähmt, wie todt, und wußte nichts weiter, als was ich vorhin selbst zu ihm gesagt und was ich noch immer sage: Rolof, mein Junge, mein Herz und mein Lieb, warum hast du mir das gethan!

Wie ich dort weg und zum Obersten gekommen, weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß ich vor ihm stand, und daß er mich fragte: Was bringst du mir, mein armer Sohn? Bittet er um Begnadigung ? Wir schicken gleich den Courier ab, bis übermorgen ist Alles in Ordnung; das Gassenlaufen wird sich auch schon machen. — Begnadigung? erwiderte ich. Nein, Herr Oberst. Was er verdient, muß er leiden, es ist einmal nicht anders. Er hat sein Recht, und das muß ihm bleiben; da kann selbst der allergnädigste König nichts mehr daran ändern. Darum bitt' ich nicht.

Ihr seid Starrköpfe, sagte er; aber was willst

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Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/62>, abgerufen am 29.04.2024.