Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Vater, was habt Ihr, daß es Euch also quälen kann? fragte der junge Mann. Wenn Ihr krank seid, müßt Ihr was brauchen und nicht wild und einsam umherstreifen und bösen Gedanken nachhängen. Das taugt nicht, Ralow. Was fehlt Euch?

Was mir fehlt? erwiderte der Alte, und ein düsteres Lächeln zog sich über das runzelvolle, scharfgeschnittene Gesicht und verlor sich in den Winkeln der plötzlich aufblickenden Augen. Im Gegentheil hab' ich vierzig Jahre zu viel, wie ich merke, und hier im Kopf ist auch zu viel. Da ist die alte satanische Geschichte, die sie mir neulich auf der Wache zwischen die Beine warfen; Ihr habt wohl davon gehört. Da schwatzten so ein Paar Gesellen von dem schwarzen Holländer und seinem Sohn, dem Rolof, was das für Blutsäufer gewesen, und ich sagte ihnen, sie sollten das Maul davon halten, denn sonst müßten die Säbel sprechen. Hab' ich kein Recht, so zu reden? Was gehen der Holländer und der Rolof die Bursche an? Was wissen sie von diesen? Die Racker lagen dazumal ja noch alle im Brunnen, und der Storch hatte noch nicht an sie gedacht. Nun, sie parirten auch, denn Respect haben sie, 's ist wahr. Allein nun schwatzt das fort wie die Waschweiber über Jene, über mich hinter meinem Rücken, und ich habe die Erinnerung wieder gekriegt, die der Satan holen möge! -- Ihr liebt ja die Geschichten, Freiwilliger, fuhr er fort, und da dies nun eine ist und wir hier still für uns sitzen, mögt ihr sie haben.

Vater, was habt Ihr, daß es Euch also quälen kann? fragte der junge Mann. Wenn Ihr krank seid, müßt Ihr was brauchen und nicht wild und einsam umherstreifen und bösen Gedanken nachhängen. Das taugt nicht, Ralow. Was fehlt Euch?

Was mir fehlt? erwiderte der Alte, und ein düsteres Lächeln zog sich über das runzelvolle, scharfgeschnittene Gesicht und verlor sich in den Winkeln der plötzlich aufblickenden Augen. Im Gegentheil hab' ich vierzig Jahre zu viel, wie ich merke, und hier im Kopf ist auch zu viel. Da ist die alte satanische Geschichte, die sie mir neulich auf der Wache zwischen die Beine warfen; Ihr habt wohl davon gehört. Da schwatzten so ein Paar Gesellen von dem schwarzen Holländer und seinem Sohn, dem Rolof, was das für Blutsäufer gewesen, und ich sagte ihnen, sie sollten das Maul davon halten, denn sonst müßten die Säbel sprechen. Hab' ich kein Recht, so zu reden? Was gehen der Holländer und der Rolof die Bursche an? Was wissen sie von diesen? Die Racker lagen dazumal ja noch alle im Brunnen, und der Storch hatte noch nicht an sie gedacht. Nun, sie parirten auch, denn Respect haben sie, 's ist wahr. Allein nun schwatzt das fort wie die Waschweiber über Jene, über mich hinter meinem Rücken, und ich habe die Erinnerung wieder gekriegt, die der Satan holen möge! — Ihr liebt ja die Geschichten, Freiwilliger, fuhr er fort, und da dies nun eine ist und wir hier still für uns sitzen, mögt ihr sie haben.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0009"/>
Vater, was habt Ihr, daß es Euch also quälen kann? fragte der junge Mann. Wenn                     Ihr krank seid, müßt Ihr was brauchen und nicht wild und einsam umherstreifen                     und bösen Gedanken nachhängen. Das taugt nicht, Ralow. Was fehlt Euch?</p><lb/>
        <p>Was mir fehlt? erwiderte der Alte, und ein düsteres Lächeln zog sich über das                     runzelvolle, scharfgeschnittene Gesicht und verlor sich in den Winkeln der                     plötzlich aufblickenden Augen. Im Gegentheil hab' ich vierzig Jahre zu viel, wie                     ich merke, und hier im Kopf ist auch zu viel. Da ist die alte satanische                     Geschichte, die sie mir neulich auf der Wache zwischen die Beine warfen; Ihr                     habt wohl davon gehört. Da schwatzten so ein Paar Gesellen von dem schwarzen                     Holländer und seinem Sohn, dem Rolof, was das für Blutsäufer gewesen, und ich                     sagte ihnen, sie sollten das Maul davon halten, denn sonst müßten die Säbel                     sprechen. Hab' ich kein Recht, so zu reden? Was gehen der Holländer und der                     Rolof die Bursche an? Was wissen sie von diesen? Die Racker lagen dazumal ja                     noch alle im Brunnen, und der Storch hatte noch nicht an sie gedacht. Nun, sie                     parirten auch, denn Respect haben sie, 's ist wahr. Allein nun schwatzt das fort                     wie die Waschweiber über Jene, über mich hinter meinem Rücken, und ich habe die                     Erinnerung wieder gekriegt, die der Satan holen möge! &#x2014; Ihr liebt ja die                     Geschichten, Freiwilliger, fuhr er fort, und da dies nun eine ist und wir hier                     still für uns sitzen, mögt ihr sie haben.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] Vater, was habt Ihr, daß es Euch also quälen kann? fragte der junge Mann. Wenn Ihr krank seid, müßt Ihr was brauchen und nicht wild und einsam umherstreifen und bösen Gedanken nachhängen. Das taugt nicht, Ralow. Was fehlt Euch? Was mir fehlt? erwiderte der Alte, und ein düsteres Lächeln zog sich über das runzelvolle, scharfgeschnittene Gesicht und verlor sich in den Winkeln der plötzlich aufblickenden Augen. Im Gegentheil hab' ich vierzig Jahre zu viel, wie ich merke, und hier im Kopf ist auch zu viel. Da ist die alte satanische Geschichte, die sie mir neulich auf der Wache zwischen die Beine warfen; Ihr habt wohl davon gehört. Da schwatzten so ein Paar Gesellen von dem schwarzen Holländer und seinem Sohn, dem Rolof, was das für Blutsäufer gewesen, und ich sagte ihnen, sie sollten das Maul davon halten, denn sonst müßten die Säbel sprechen. Hab' ich kein Recht, so zu reden? Was gehen der Holländer und der Rolof die Bursche an? Was wissen sie von diesen? Die Racker lagen dazumal ja noch alle im Brunnen, und der Storch hatte noch nicht an sie gedacht. Nun, sie parirten auch, denn Respect haben sie, 's ist wahr. Allein nun schwatzt das fort wie die Waschweiber über Jene, über mich hinter meinem Rücken, und ich habe die Erinnerung wieder gekriegt, die der Satan holen möge! — Ihr liebt ja die Geschichten, Freiwilliger, fuhr er fort, und da dies nun eine ist und wir hier still für uns sitzen, mögt ihr sie haben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:37:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:37:13Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/9
Zitationshilfe: Hoefer, Edmund: Rolof, der Rekrut. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 233–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoefer_rekrut_1910/9>, abgerufen am 26.04.2024.