Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826.Dichtermuth. Sind denn Dir nicht verwandt alle Lebendigen? Nährt zum Dienste denn nicht selber die Parze Dich? Drum! so wandle nur wehrlos Fort durch's Leben und sorge nicht! Was geschiehet, es sey alles gesegnet Dir, Sey zur Freude gewandt! oder was könnte denn Dich beleidigen, Herz! was Da begegnen, wohin du sollst? Dann, wie still am Gestad, oder in silberner Fernhintönender Flut, oder auf schweigenden Wassertiefen der leichte Schwimmer wandelt, so sind auch wir, Wir, die Dichter des Volks, gerne wo Lebendes Um uns athmet und wallt, freudig, und Jedem hold, Jedoch trauend, wie sängen Sonst wir Jedem den eignen Gott? Dichtermuth. Sind denn Dir nicht verwandt alle Lebendigen? Naͤhrt zum Dienſte denn nicht ſelber die Parze Dich? Drum! ſo wandle nur wehrlos Fort durch's Leben und ſorge nicht! Was geſchiehet, es ſey alles geſegnet Dir, Sey zur Freude gewandt! oder was koͤnnte denn Dich beleidigen, Herz! was Da begegnen, wohin du ſollſt? Dann, wie ſtill am Geſtad, oder in ſilberner Fernhintoͤnender Flut, oder auf ſchweigenden Waſſertiefen der leichte Schwimmer wandelt, ſo ſind auch wir, Wir, die Dichter des Volks, gerne wo Lebendes Um uns athmet und wallt, freudig, und Jedem hold, Jedoch trauend, wie ſaͤngen Sonſt wir Jedem den eignen Gott? <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0037" n="29"/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Dichtermuth</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sind denn Dir nicht verwandt alle Lebendigen?</l><lb/> <l>Naͤhrt zum Dienſte denn nicht ſelber die Parze</l><lb/> <l>Dich?</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Drum! ſo wandle nur wehrlos</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Fort durch's Leben und ſorge nicht!</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Was geſchiehet, es ſey alles geſegnet Dir,</l><lb/> <l>Sey zur Freude gewandt! oder was koͤnnte denn</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Dich beleidigen, Herz! was</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Da begegnen, wohin du ſollſt?</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Dann, wie ſtill am Geſtad, oder in ſilberner</l><lb/> <l>Fernhintoͤnender Flut, oder auf ſchweigenden</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Waſſertiefen der leichte</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Schwimmer wandelt, ſo ſind auch wir,</hi> </l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wir, die Dichter des Volks, gerne wo Lebendes</l><lb/> <l>Um uns athmet und wallt, freudig, und Jedem</l><lb/> <l>hold,</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Jedoch trauend, wie ſaͤngen</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Sonſt wir Jedem den eignen Gott?</hi> </l> </lg><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [29/0037]
Dichtermuth.
Sind denn Dir nicht verwandt alle Lebendigen?
Naͤhrt zum Dienſte denn nicht ſelber die Parze
Dich?
Drum! ſo wandle nur wehrlos
Fort durch's Leben und ſorge nicht!
Was geſchiehet, es ſey alles geſegnet Dir,
Sey zur Freude gewandt! oder was koͤnnte denn
Dich beleidigen, Herz! was
Da begegnen, wohin du ſollſt?
Dann, wie ſtill am Geſtad, oder in ſilberner
Fernhintoͤnender Flut, oder auf ſchweigenden
Waſſertiefen der leichte
Schwimmer wandelt, ſo ſind auch wir,
Wir, die Dichter des Volks, gerne wo Lebendes
Um uns athmet und wallt, freudig, und Jedem
hold,
Jedoch trauend, wie ſaͤngen
Sonſt wir Jedem den eignen Gott?
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Zitationshilfe: | Hölderlin, Friedrich: Gedichte. Stuttgart u. a., 1826, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoelderlin_gedichte_1826/37>, abgerufen am 05.12.2023. |