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Van't Hoff, Jakobus Heinrich: Gedächtnisrede auf Hans Heinrich Landolt. Berlin, 1911.

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auch schließlich, das Lichtbrechungsvermögen der chemischen Moleküle aus
demjenigen der elementaren Atome zu bestimmen, unter Mitberücksichtigung
ihrer Bindungsweise. Landolt hat noch in späteren Jahren an diese
schönen Jugendarbeiten angeknüpft. Nachdem nämlich durch die epoche-
machenden Untersuchungen von Hertz (1887--1888) die Wesensgleichheit
von optischer und elektrischer Fortpflanzung nachgewiesen, und gezeigt
worden war, daß Lichtwellen und elektrische Wellen sich lediglich durch
allerdings ungeheure Größendifferenzen voneinander unterscheiden, nahm
Landolt (1892) in Gemeinschaft mit Jahn jene alten Untersuchungen
wieder auf, indem er aber nun die molekuläre Refraktion organischer Kör-
per für Strahlen von sehr großer Wellenlänge, d. h. für elektrische Strahlen,
der Messung unterzog. Im großen und ganzen ergaben sich für die elektrischen
Wellen ähnliche Beziehungen wie für die Wellen des Lichts, jedoch mit ver-
schiedenen merkwürdigen noch nicht genügend aufgeklärten Abweichungen.
In Bonn hatte Landolt schon frühzeitig (1859) sein sehr glückliches
Familienleben begründet durch die Heirat mit Milla, geb. Schallenberg,
einer liebenswürdigen und fröhlichen, einst wunderschönen und echt rheini-
schen Frauengestalt, der Tochter einer in Bonn ansässig gewordenen, eben-
falls der Schweiz entstammenden Familie.
Nach Bischofs Rücktritt wurde August Wilhelm Hofmann aus
London nach Bonn berufen, auf dessen Andrängen in Bonn das damals
umfangreichste chemische Institut der Welt entstand. Allein noch ehe der
Bau vollendet war, folgte Hofmann einem Rufe nach Berlin, und an seine
Stelle kam von Gent August Kekule. Ihm und dem zum ordentlichen
Professor beförderten Landolt, der inzwischen auch seine bekannten Ar-
beiten über die "Dampfspannung homologer Verbindungen" ausgeführt hatte,
wurde 1867 die Direktion des neuen Instituts übertragen. In voller Ein-
tracht wirkten die beiden so verschiedenartig veranlagten Gelehrten bei
der Einrichtung ihres Laboratoriums zusammen. Doch schon im Jahre
1869 nahm Landolt einen Ruf an die neugegründete technische Hoch-
schule in Aachen an, wo dann nach seinen Plänen ein stattliches chemi-
sches Institut entstand.
Die Bonner Zeit blieb aber wohl in Landolts Erinnerung seine
schönste Lebensepisode, und noch in den letzten Jahren dachte er sehr
ernst daran, sich dort dauernd niederzulassen. Dazu ist es allerdings
nicht gekommen, aber seine letzte Ruhestätte hat er sich dort gewählt.


6 VAN'T HOFF:


auch schließlich, das Lichtbrechungsvermögen der chemischen Moleküle aus
demjenigen der elementaren Atome zu bestimmen, unter Mitberücksichtigung
ihrer Bindungsweise. Landolt hat noch in späteren Jahren an diese
schönen Jugendarbeiten angeknüpft. Nachdem nämlich durch die epoche-
machenden Untersuchungen von Hertz (1887—1888) die Wesensgleichheit
von optischer und elektrischer Fortpflanzung nachgewiesen, und gezeigt
worden war, daß Lichtwellen und elektrische Wellen sich lediglich durch
allerdings ungeheure Größendifferenzen voneinander unterscheiden, nahm
Landolt (1892) in Gemeinschaft mit Jahn jene alten Untersuchungen
wieder auf, indem er aber nun die molekuläre Refraktion organischer Kör-
per für Strahlen von sehr großer Wellenlänge, d. h. für elektrische Strahlen,
der Messung unterzog. Im großen und ganzen ergaben sich für die elektrischen
Wellen ähnliche Beziehungen wie für die Wellen des Lichts, jedoch mit ver-
schiedenen merkwürdigen noch nicht genügend aufgeklärten Abweichungen.
In Bonn hatte Landolt schon frühzeitig (1859) sein sehr glückliches
Familienleben begründet durch die Heirat mit Milla, geb. Schallenberg,
einer liebenswürdigen und fröhlichen, einst wunderschönen und echt rheini-
schen Frauengestalt, der Tochter einer in Bonn ansässig gewordenen, eben-
falls der Schweiz entstammenden Familie.
Nach Bischofs Rücktritt wurde August Wilhelm Hofmann aus
London nach Bonn berufen, auf dessen Andrängen in Bonn das damals
umfangreichste chemische Institut der Welt entstand. Allein noch ehe der
Bau vollendet war, folgte Hofmann einem Rufe nach Berlin, und an seine
Stelle kam von Gent August Kekulé. Ihm und dem zum ordentlichen
Professor beförderten Landolt, der inzwischen auch seine bekannten Ar-
beiten über die »Dampfspannung homologer Verbindungen« ausgeführt hatte,
wurde 1867 die Direktion des neuen Instituts übertragen. In voller Ein-
tracht wirkten die beiden so verschiedenartig veranlagten Gelehrten bei
der Einrichtung ihres Laboratoriums zusammen. Doch schon im Jahre
1869 nahm Landolt einen Ruf an die neugegründete technische Hoch-
schule in Aachen an, wo dann nach seinen Plänen ein stattliches chemi-
sches Institut entstand.
Die Bonner Zeit blieb aber wohl in Landolts Erinnerung seine
schönste Lebensepisode, und noch in den letzten Jahren dachte er sehr
ernst daran, sich dort dauernd niederzulassen. Dazu ist es allerdings
nicht gekommen, aber seine letzte Ruhestätte hat er sich dort gewählt.

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[8/0008] 6 VAN'T HOFF: auch schließlich, das Lichtbrechungsvermögen der chemischen Moleküle aus demjenigen der elementaren Atome zu bestimmen, unter Mitberücksichtigung ihrer Bindungsweise. Landolt hat noch in späteren Jahren an diese schönen Jugendarbeiten angeknüpft. Nachdem nämlich durch die epoche- machenden Untersuchungen von Hertz (1887—1888) die Wesensgleichheit von optischer und elektrischer Fortpflanzung nachgewiesen, und gezeigt worden war, daß Lichtwellen und elektrische Wellen sich lediglich durch allerdings ungeheure Größendifferenzen voneinander unterscheiden, nahm Landolt (1892) in Gemeinschaft mit Jahn jene alten Untersuchungen wieder auf, indem er aber nun die molekuläre Refraktion organischer Kör- per für Strahlen von sehr großer Wellenlänge, d. h. für elektrische Strahlen, der Messung unterzog. Im großen und ganzen ergaben sich für die elektrischen Wellen ähnliche Beziehungen wie für die Wellen des Lichts, jedoch mit ver- schiedenen merkwürdigen noch nicht genügend aufgeklärten Abweichungen. In Bonn hatte Landolt schon frühzeitig (1859) sein sehr glückliches Familienleben begründet durch die Heirat mit Milla, geb. Schallenberg, einer liebenswürdigen und fröhlichen, einst wunderschönen und echt rheini- schen Frauengestalt, der Tochter einer in Bonn ansässig gewordenen, eben- falls der Schweiz entstammenden Familie. Nach Bischofs Rücktritt wurde August Wilhelm Hofmann aus London nach Bonn berufen, auf dessen Andrängen in Bonn das damals umfangreichste chemische Institut der Welt entstand. Allein noch ehe der Bau vollendet war, folgte Hofmann einem Rufe nach Berlin, und an seine Stelle kam von Gent August Kekulé. Ihm und dem zum ordentlichen Professor beförderten Landolt, der inzwischen auch seine bekannten Ar- beiten über die »Dampfspannung homologer Verbindungen« ausgeführt hatte, wurde 1867 die Direktion des neuen Instituts übertragen. In voller Ein- tracht wirkten die beiden so verschiedenartig veranlagten Gelehrten bei der Einrichtung ihres Laboratoriums zusammen. Doch schon im Jahre 1869 nahm Landolt einen Ruf an die neugegründete technische Hoch- schule in Aachen an, wo dann nach seinen Plänen ein stattliches chemi- sches Institut entstand. Die Bonner Zeit blieb aber wohl in Landolts Erinnerung seine schönste Lebensepisode, und noch in den letzten Jahren dachte er sehr ernst daran, sich dort dauernd niederzulassen. Dazu ist es allerdings nicht gekommen, aber seine letzte Ruhestätte hat er sich dort gewählt.

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Zitationshilfe: Van't Hoff, Jakobus Heinrich: Gedächtnisrede auf Hans Heinrich Landolt. Berlin, 1911, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoff_landolt_1911/8>, abgerufen am 27.04.2024.