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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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bloß jener dunklen Erinnerung nachzugrübeln glaubte,
in die schöne Holländerin schon ganz verliebt war.

Wer wollte sich jetzt noch um die Flöhe kümmern,
über die die Holländerin alles an sich ziehend den glän¬
zendsten Sieg davon getragen hatte. Der Flohbändi¬
ger fühlte selbst, daß er mit seinen Flöhen eine etwas
alberne Rolle spiele, er sperrte daher seine Mannschaft
bis auf andere Zeiten ein, und gab mit vielem Ge¬
schick seinem Schauspiel eine andere Gestalt, der schö¬
nen Nichte aber die Hauptrolle.

Der Flohbändiger hatte nämlich den glücklichen
Gedanken gefaßt, Abendunterhaltungen anzuordnen,
auf die man sich mit einer ziemlich hohen Summe
abonnirte und in denen, nachdem er einige artige op¬
tische Kunststücke gezeigt, die fernere Unterhaltung der
Gesellschaft seiner Nichte oblag. -- In vollem Maaß
ließ die Schöne ihr soziales Talent glänzen, dann
nützte sie aber die kleinste Stockung um durch Gesang,
den sie selbst auf der Guitarre begleitete, der Gesell¬
schaft einen neuen Schwung zu geben. Ihre Stimme
war nicht stark, ihre Methode nicht grandios, oft
wider die Regel, aber der süße Ton, die Klarheit,
Nettigkeit ihres Gesanges entsprach ganz ihrem holden
Wesen und vollends, wenn sie unter den schwarzen
seidnen Wimpern den schmachtenden Blick wie feuch¬

bloß jener dunklen Erinnerung nachzugrübeln glaubte,
in die ſchöne Holländerin ſchon ganz verliebt war.

Wer wollte ſich jetzt noch um die Flöhe kümmern,
über die die Holländerin alles an ſich ziehend den glän¬
zendſten Sieg davon getragen hatte. Der Flohbändi¬
ger fühlte ſelbſt, daß er mit ſeinen Flöhen eine etwas
alberne Rolle ſpiele, er ſperrte daher ſeine Mannſchaft
bis auf andere Zeiten ein, und gab mit vielem Ge¬
ſchick ſeinem Schauſpiel eine andere Geſtalt, der ſchö¬
nen Nichte aber die Hauptrolle.

Der Flohbändiger hatte nämlich den glücklichen
Gedanken gefaßt, Abendunterhaltungen anzuordnen,
auf die man ſich mit einer ziemlich hohen Summe
abonnirte und in denen, nachdem er einige artige op¬
tiſche Kunſtſtücke gezeigt, die fernere Unterhaltung der
Geſellſchaft ſeiner Nichte oblag. — In vollem Maaß
ließ die Schöne ihr ſoziales Talent glänzen, dann
nützte ſie aber die kleinſte Stockung um durch Geſang,
den ſie ſelbſt auf der Guitarre begleitete, der Geſell¬
ſchaft einen neuen Schwung zu geben. Ihre Stimme
war nicht ſtark, ihre Methode nicht grandios, oft
wider die Regel, aber der ſüße Ton, die Klarheit,
Nettigkeit ihres Geſanges entſprach ganz ihrem holden
Weſen und vollends, wenn ſie unter den ſchwarzen
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[72/0077] bloß jener dunklen Erinnerung nachzugrübeln glaubte, in die ſchöne Holländerin ſchon ganz verliebt war. Wer wollte ſich jetzt noch um die Flöhe kümmern, über die die Holländerin alles an ſich ziehend den glän¬ zendſten Sieg davon getragen hatte. Der Flohbändi¬ ger fühlte ſelbſt, daß er mit ſeinen Flöhen eine etwas alberne Rolle ſpiele, er ſperrte daher ſeine Mannſchaft bis auf andere Zeiten ein, und gab mit vielem Ge¬ ſchick ſeinem Schauſpiel eine andere Geſtalt, der ſchö¬ nen Nichte aber die Hauptrolle. Der Flohbändiger hatte nämlich den glücklichen Gedanken gefaßt, Abendunterhaltungen anzuordnen, auf die man ſich mit einer ziemlich hohen Summe abonnirte und in denen, nachdem er einige artige op¬ tiſche Kunſtſtücke gezeigt, die fernere Unterhaltung der Geſellſchaft ſeiner Nichte oblag. — In vollem Maaß ließ die Schöne ihr ſoziales Talent glänzen, dann nützte ſie aber die kleinſte Stockung um durch Geſang, den ſie ſelbſt auf der Guitarre begleitete, der Geſell¬ ſchaft einen neuen Schwung zu geben. Ihre Stimme war nicht ſtark, ihre Methode nicht grandios, oft wider die Regel, aber der ſüße Ton, die Klarheit, Nettigkeit ihres Geſanges entſprach ganz ihrem holden Weſen und vollends, wenn ſie unter den ſchwarzen ſeidnen Wimpern den ſchmachtenden Blick wie feuch¬

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/77>, abgerufen am 27.04.2024.