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Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822.

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die Stirn brannte, fröstelte es ihm durch alle Glie¬
der, als läg' er im stärksten Fieber. Wollte das
nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬
pusch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt
war, so gab es doch noch eine andere Ursache des durch¬
aus verwirrten Zustandes, der ihm alle Sprache, ja
beinahe alle Besinnung raubte. So wie nämlich
Dörtje Elverdink davon sprach, daß sie glaube, vor
langer Zeit ihn schon gekannt zu haben, war es ihm,
als würde in seinem Innern wie in einer Laterna ma¬
gica plötzlich ein anderes Bild vorgeschoben und er er¬
blickte ein weit entferntes Sonst, das lange zurückliege
hinter der Zeit als er zum ersten Mal Muttermilch
gekostet, und in dem er selbst doch eben so gut als
Dörtje Elverdink sich rege und bewege. Genug! --
der Gedanke, der sich eben durch vieles Denken erst
recht klar und fest gestaltete, blitzte in diesem Augen¬
blick auf und dieser Gedanke war nichts geringeres als
daß Dörtje Elverdink die Prinzessin Gamaheh, Toch¬
ter des Königs Sekakis sey, die er schon in der grü¬
nen Zeit geliebt, da er noch die Distel Zeherit gewe¬
sen. Gut war es, daß er diesen Gedanken andern
Leuten nicht sonderlich mittheilte; man hätte ihn sonst
vielleicht für wahnsinnig gehalten und eingesperrt, wie¬
wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnsinnigen oft

die Stirn brannte, fröſtelte es ihm durch alle Glie¬
der, als läg' er im ſtärkſten Fieber. Wollte das
nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬
puſch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt
war, ſo gab es doch noch eine andere Urſache des durch¬
aus verwirrten Zuſtandes, der ihm alle Sprache, ja
beinahe alle Beſinnung raubte. So wie nämlich
Dörtje Elverdink davon ſprach, daß ſie glaube, vor
langer Zeit ihn ſchon gekannt zu haben, war es ihm,
als würde in ſeinem Innern wie in einer Laterna ma¬
gica plötzlich ein anderes Bild vorgeſchoben und er er¬
blickte ein weit entferntes Sonſt, das lange zurückliege
hinter der Zeit als er zum erſten Mal Muttermilch
gekoſtet, und in dem er ſelbſt doch eben ſo gut als
Dörtje Elverdink ſich rege und bewege. Genug! —
der Gedanke, der ſich eben durch vieles Denken erſt
recht klar und feſt geſtaltete, blitzte in dieſem Augen¬
blick auf und dieſer Gedanke war nichts geringeres als
daß Dörtje Elverdink die Prinzeſſin Gamaheh, Toch¬
ter des Königs Sekakis ſey, die er ſchon in der grü¬
nen Zeit geliebt, da er noch die Diſtel Zeherit gewe¬
ſen. Gut war es, daß er dieſen Gedanken andern
Leuten nicht ſonderlich mittheilte; man hätte ihn ſonſt
vielleicht für wahnſinnig gehalten und eingeſperrt, wie¬
wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnſinnigen oft

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[75/0080] die Stirn brannte, fröſtelte es ihm durch alle Glie¬ der, als läg' er im ſtärkſten Fieber. Wollte das nun auch nichts anders bedeuten, als daß Herr Pe¬ puſch in die Holländerin bis über den Kopf verliebt war, ſo gab es doch noch eine andere Urſache des durch¬ aus verwirrten Zuſtandes, der ihm alle Sprache, ja beinahe alle Beſinnung raubte. So wie nämlich Dörtje Elverdink davon ſprach, daß ſie glaube, vor langer Zeit ihn ſchon gekannt zu haben, war es ihm, als würde in ſeinem Innern wie in einer Laterna ma¬ gica plötzlich ein anderes Bild vorgeſchoben und er er¬ blickte ein weit entferntes Sonſt, das lange zurückliege hinter der Zeit als er zum erſten Mal Muttermilch gekoſtet, und in dem er ſelbſt doch eben ſo gut als Dörtje Elverdink ſich rege und bewege. Genug! — der Gedanke, der ſich eben durch vieles Denken erſt recht klar und feſt geſtaltete, blitzte in dieſem Augen¬ blick auf und dieſer Gedanke war nichts geringeres als daß Dörtje Elverdink die Prinzeſſin Gamaheh, Toch¬ ter des Königs Sekakis ſey, die er ſchon in der grü¬ nen Zeit geliebt, da er noch die Diſtel Zeherit gewe¬ ſen. Gut war es, daß er dieſen Gedanken andern Leuten nicht ſonderlich mittheilte; man hätte ihn ſonſt vielleicht für wahnſinnig gehalten und eingeſperrt, wie¬ wohl die fixe Idee eines Partiell-Wahnſinnigen oft

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Zitationshilfe: Hoffmann, E. T. A.: Meister Floh. Frankfurt (Main), 1822, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_floh_1822/80>, abgerufen am 28.04.2024.