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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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ten ihn süße nie gekannte Schauer und im Wahn¬
sinn des Entzückens höchster Erdenlust rief er
aus: -- "O, kein Trugbild des Traumes --
nein! es ist mein Weib, das ich umfange, es nie
zu lassen -- das meine glühende dürstende Sehn¬
sucht stillt!"

Aus der Stadt zu fliehen war unmöglich:
denn vor den Thoren stand das französische Heer,
dem das Volk, war es gleich schlecht bewaffnet
und ohne alle Anführung, zwei Tage hindurch
den Einzug in die Stadt streitig machte. End¬
lich gelang es Berthold mit Angiola von
Schlupfwinkel zu Schlupfwinkel, und dann aus
der Stadt zu fliehen. Angiola, von heißer Liebe
zu ihrem Retter entbrannt, verschmähte es in
Italien zu bleiben, die Familie sollte sie für todt
halten, und so Bertholds Besitz ihr gesichert
bleiben. Ein diamantnes Halsband und kostbare
Ringe, die sie getragen, waren hinlänglich, in Rom
(bis dahin waren sie langsam fortgepilgert) sich mit

ten ihn ſuͤße nie gekannte Schauer und im Wahn¬
ſinn des Entzuͤckens hoͤchſter Erdenluſt rief er
aus: — „O, kein Trugbild des Traumes —
nein! es iſt mein Weib, das ich umfange, es nie
zu laſſen — das meine gluͤhende duͤrſtende Sehn¬
ſucht ſtillt!“

Aus der Stadt zu fliehen war unmoͤglich:
denn vor den Thoren ſtand das franzoͤſiſche Heer,
dem das Volk, war es gleich ſchlecht bewaffnet
und ohne alle Anfuͤhrung, zwei Tage hindurch
den Einzug in die Stadt ſtreitig machte. End¬
lich gelang es Berthold mit Angiola von
Schlupfwinkel zu Schlupfwinkel, und dann aus
der Stadt zu fliehen. Angiola, von heißer Liebe
zu ihrem Retter entbrannt, verſchmaͤhte es in
Italien zu bleiben, die Familie ſollte ſie fuͤr todt
halten, und ſo Bertholds Beſitz ihr geſichert
bleiben. Ein diamantnes Halsband und koſtbare
Ringe, die ſie getragen, waren hinlaͤnglich, in Rom
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[270/0278] ten ihn ſuͤße nie gekannte Schauer und im Wahn¬ ſinn des Entzuͤckens hoͤchſter Erdenluſt rief er aus: — „O, kein Trugbild des Traumes — nein! es iſt mein Weib, das ich umfange, es nie zu laſſen — das meine gluͤhende duͤrſtende Sehn¬ ſucht ſtillt!“ Aus der Stadt zu fliehen war unmoͤglich: denn vor den Thoren ſtand das franzoͤſiſche Heer, dem das Volk, war es gleich ſchlecht bewaffnet und ohne alle Anfuͤhrung, zwei Tage hindurch den Einzug in die Stadt ſtreitig machte. End¬ lich gelang es Berthold mit Angiola von Schlupfwinkel zu Schlupfwinkel, und dann aus der Stadt zu fliehen. Angiola, von heißer Liebe zu ihrem Retter entbrannt, verſchmaͤhte es in Italien zu bleiben, die Familie ſollte ſie fuͤr todt halten, und ſo Bertholds Beſitz ihr geſichert bleiben. Ein diamantnes Halsband und koſtbare Ringe, die ſie getragen, waren hinlaͤnglich, in Rom (bis dahin waren ſie langſam fortgepilgert) ſich mit

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/278>, abgerufen am 22.05.2024.