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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817.

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wandt dem Geliebten ins Auge, ohne sich zu rük¬
ken und zu bewegen und immer glühender, immer
lebendiger wurde dieser Blick. Nur wenn Na¬
thanael endlich aufstand und ihr die Hand, auch
wohl den Mund küßte, sagte sie: "Ach, Ach!" --
dann aber: "Gute Nacht, mein Lieber!" -- "O
du herrliches, du tiefes Gemüth, rief Natha¬
nael auf seiner Stube: nur von Dir, von Dir
allein werd' ich ganz verstanden." Er erbebte vor
innerm Entzücken, wenn er bedachte, welch' wun¬
derbarer Zusammenklang sich in seinem und Olim¬
pia's Gemüth täglich mehr offenbare; denn es
schien ihm, als habe Olimpia über seine Werke,
über seine Dichtergabe überhaupt recht tief aus sei¬
nem Innern gesprochen, ja als habe die Stimme
aus seinem Innern selbst herausgetönt. Das
mußte denn wohl auch seyn; denn mehr Worte
als vorhin erwähnt, sprach Olimpia niemals.
Erinnerte sich aber auch Nathanael in hellen
nüchternen Augenblicken, z. B. Morgens gleich
nach dem Erwachen, wirklich an Olimpia's

wandt dem Geliebten ins Auge, ohne ſich zu ruͤk¬
ken und zu bewegen und immer gluͤhender, immer
lebendiger wurde dieſer Blick. Nur wenn Na¬
thanael endlich aufſtand und ihr die Hand, auch
wohl den Mund kuͤßte, ſagte ſie: „Ach, Ach!“ —
dann aber: „Gute Nacht, mein Lieber!“ — „O
du herrliches, du tiefes Gemuͤth, rief Natha¬
nael auf ſeiner Stube: nur von Dir, von Dir
allein werd' ich ganz verſtanden.“ Er erbebte vor
innerm Entzuͤcken, wenn er bedachte, welch' wun¬
derbarer Zuſammenklang ſich in ſeinem und Olim¬
pia's Gemuͤth taͤglich mehr offenbare; denn es
ſchien ihm, als habe Olimpia uͤber ſeine Werke,
uͤber ſeine Dichtergabe uͤberhaupt recht tief aus ſei¬
nem Innern geſprochen, ja als habe die Stimme
aus ſeinem Innern ſelbſt herausgetoͤnt. Das
mußte denn wohl auch ſeyn; denn mehr Worte
als vorhin erwaͤhnt, ſprach Olimpia niemals.
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nuͤchternen Augenblicken, z. B. Morgens gleich
nach dem Erwachen, wirklich an Olimpia's

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[68/0076] wandt dem Geliebten ins Auge, ohne ſich zu ruͤk¬ ken und zu bewegen und immer gluͤhender, immer lebendiger wurde dieſer Blick. Nur wenn Na¬ thanael endlich aufſtand und ihr die Hand, auch wohl den Mund kuͤßte, ſagte ſie: „Ach, Ach!“ — dann aber: „Gute Nacht, mein Lieber!“ — „O du herrliches, du tiefes Gemuͤth, rief Natha¬ nael auf ſeiner Stube: nur von Dir, von Dir allein werd' ich ganz verſtanden.“ Er erbebte vor innerm Entzuͤcken, wenn er bedachte, welch' wun¬ derbarer Zuſammenklang ſich in ſeinem und Olim¬ pia's Gemuͤth taͤglich mehr offenbare; denn es ſchien ihm, als habe Olimpia uͤber ſeine Werke, uͤber ſeine Dichtergabe uͤberhaupt recht tief aus ſei¬ nem Innern geſprochen, ja als habe die Stimme aus ſeinem Innern ſelbſt herausgetoͤnt. Das mußte denn wohl auch ſeyn; denn mehr Worte als vorhin erwaͤhnt, ſprach Olimpia niemals. Erinnerte ſich aber auch Nathanael in hellen nuͤchternen Augenblicken, z. B. Morgens gleich nach dem Erwachen, wirklich an Olimpia's

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 1. Berlin, 1817, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke01_1817/76>, abgerufen am 06.05.2024.