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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Kirche o. s., und will sonst nie Erfahrnes ahnen.
Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr
alt war und mehrere Gläser starken Punsch getrun¬
ken hatte so wird man es glauben, daß mir in
meinem Rittersaal seltsamer zu Muthe wurde als
jemals. Man denke sich die Stille der Nacht, in
der das dumpfe Brausen des Meers, das seltsame
Pfeifen des Nachtwindes wie die Töne eines
mächtigen, von Geistern gerührten Orgelwerks er¬
klangen -- die vorüberfliegenden Wolken, die oft,
hell und glänzend, wie vorbeistreifende Riesen durch
die klirrenden Bogenfenster zu gucken schienen --
in der That, ich mußt' es in dem leisen Schauer
fühlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich
nun sichtbarlich und vernehmbar aufgehen könne.
Doch dies Gefühl glich dem Frösteln, das man bei
einer lebhaft dargestellten Gespenstergeschichte em¬
pfindet und das man so gern hat. Dabei fiel mir ein,
daß in keiner günstigeren Stimmung das Buch zu
lesen sey, das ich, so wie damals jeder, der nur
irgend dem Romantischen ergeben, in der Tasche

Kirche o. ſ., und will ſonſt nie Erfahrnes ahnen.
Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr
alt war und mehrere Glaͤſer ſtarken Punſch getrun¬
ken hatte ſo wird man es glauben, daß mir in
meinem Ritterſaal ſeltſamer zu Muthe wurde als
jemals. Man denke ſich die Stille der Nacht, in
der das dumpfe Brauſen des Meers, das ſeltſame
Pfeifen des Nachtwindes wie die Toͤne eines
maͤchtigen, von Geiſtern geruͤhrten Orgelwerks er¬
klangen — die voruͤberfliegenden Wolken, die oft,
hell und glaͤnzend, wie vorbeiſtreifende Rieſen durch
die klirrenden Bogenfenſter zu gucken ſchienen —
in der That, ich mußt' es in dem leiſen Schauer
fuͤhlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich
nun ſichtbarlich und vernehmbar aufgehen koͤnne.
Doch dies Gefuͤhl glich dem Froͤſteln, das man bei
einer lebhaft dargeſtellten Geſpenſtergeſchichte em¬
pfindet und das man ſo gern hat. Dabei fiel mir ein,
daß in keiner guͤnſtigeren Stimmung das Buch zu
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[92/0100] Kirche o. ſ., und will ſonſt nie Erfahrnes ahnen. Setze ich nun noch hinzu, daß ich zwanzig Jahr alt war und mehrere Glaͤſer ſtarken Punſch getrun¬ ken hatte ſo wird man es glauben, daß mir in meinem Ritterſaal ſeltſamer zu Muthe wurde als jemals. Man denke ſich die Stille der Nacht, in der das dumpfe Brauſen des Meers, das ſeltſame Pfeifen des Nachtwindes wie die Toͤne eines maͤchtigen, von Geiſtern geruͤhrten Orgelwerks er¬ klangen — die voruͤberfliegenden Wolken, die oft, hell und glaͤnzend, wie vorbeiſtreifende Rieſen durch die klirrenden Bogenfenſter zu gucken ſchienen — in der That, ich mußt' es in dem leiſen Schauer fuͤhlen, der mich durchbebte, daß ein fremdes Reich nun ſichtbarlich und vernehmbar aufgehen koͤnne. Doch dies Gefuͤhl glich dem Froͤſteln, das man bei einer lebhaft dargeſtellten Geſpenſtergeſchichte em¬ pfindet und das man ſo gern hat. Dabei fiel mir ein, daß in keiner guͤnſtigeren Stimmung das Buch zu leſen ſey, das ich, ſo wie damals jeder, der nur irgend dem Romantiſchen ergeben, in der Taſche

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/100>, abgerufen am 11.05.2024.