Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

Bild:
<< vorherige Seite

sie reicht mir die Nummern, die ich verlange, und
hält sorgsam die Rolle, die ich abwickle; plötzlich
schnurrt eine auf, so daß die Baronin ein ungedul¬
diges Ach! ausstößt -- Fräulein Adelheid lacht
laut auf, ich verfolge den verwirrten Knäuel bis in
die Ecke des Zimmers, und wir alle suchen aus ihm
noch eine gerade unzerknickte Saite herauszuziehen,
die dann aufgezogen zu unserm Leidwesen wieder
springt -- aber endlich -- endlich sind gute Rollen
gefunden, die Saiten fangen an zu stehen und aus
dem mißtönigen Sumsen gehen allmählig klare,
reine Akkorde hervor! "Ach es glückt, es glückt

-- das Instrument stimmt sich!" ruft die Baro¬
nin, indem sie mich mit holdem Lächeln anblickt!

-- Wie schnell vertrieb dies gemeinschaftliche Mü¬
hen alles Fremde, Nüchterne, das die Convenienz
hinstellt; wie ging unter uns eine heimische Ver¬
traulichkeit auf, die, ein elektrischer Hauch mich
durchglühend, die verzagte Beklommenheit, welche
wie Eis auf meiner Brust lag, schnell wegzehrte.
Jener seltsame Pathos, wie ihn solche Verliebtheit,

ſie reicht mir die Nummern, die ich verlange, und
haͤlt ſorgſam die Rolle, die ich abwickle; ploͤtzlich
ſchnurrt eine auf, ſo daß die Baronin ein ungedul¬
diges Ach! ausſtoͤßt — Fraͤulein Adelheid lacht
laut auf, ich verfolge den verwirrten Knaͤuel bis in
die Ecke des Zimmers, und wir alle ſuchen aus ihm
noch eine gerade unzerknickte Saite herauszuziehen,
die dann aufgezogen zu unſerm Leidweſen wieder
ſpringt — aber endlich — endlich ſind gute Rollen
gefunden, die Saiten fangen an zu ſtehen und aus
dem mißtoͤnigen Sumſen gehen allmaͤhlig klare,
reine Akkorde hervor! „Ach es gluͤckt, es gluͤckt

— das Inſtrument ſtimmt ſich!“ ruft die Baro¬
nin, indem ſie mich mit holdem Laͤcheln anblickt!

— Wie ſchnell vertrieb dies gemeinſchaftliche Muͤ¬
hen alles Fremde, Nuͤchterne, das die Convenienz
hinſtellt; wie ging unter uns eine heimiſche Ver¬
traulichkeit auf, die, ein elektriſcher Hauch mich
durchgluͤhend, die verzagte Beklommenheit, welche
wie Eis auf meiner Bruſt lag, ſchnell wegzehrte.
Jener ſeltſame Pathos, wie ihn ſolche Verliebtheit,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="123"/>
&#x017F;ie reicht mir die Nummern, die ich verlange, und<lb/>
ha&#x0364;lt &#x017F;org&#x017F;am die Rolle, die ich abwickle; plo&#x0364;tzlich<lb/>
&#x017F;chnurrt eine auf, &#x017F;o daß die Baronin ein ungedul¬<lb/>
diges Ach! aus&#x017F;to&#x0364;ßt &#x2014; Fra&#x0364;ulein Adelheid lacht<lb/>
laut auf, ich verfolge den verwirrten Kna&#x0364;uel bis in<lb/>
die Ecke des Zimmers, und wir alle &#x017F;uchen aus ihm<lb/>
noch eine gerade unzerknickte Saite herauszuziehen,<lb/>
die dann aufgezogen zu un&#x017F;erm Leidwe&#x017F;en wieder<lb/>
&#x017F;pringt &#x2014; aber endlich &#x2014; endlich &#x017F;ind gute Rollen<lb/>
gefunden, die Saiten fangen an zu &#x017F;tehen und aus<lb/>
dem mißto&#x0364;nigen Sum&#x017F;en gehen allma&#x0364;hlig klare,<lb/>
reine Akkorde hervor! &#x201E;Ach es glu&#x0364;ckt, es glu&#x0364;ckt</p><lb/>
        <p>&#x2014; das In&#x017F;trument &#x017F;timmt &#x017F;ich!&#x201C; ruft die Baro¬<lb/>
nin, indem &#x017F;ie mich mit holdem La&#x0364;cheln anblickt!</p><lb/>
        <p>&#x2014; Wie &#x017F;chnell vertrieb dies gemein&#x017F;chaftliche Mu&#x0364;¬<lb/>
hen alles Fremde, Nu&#x0364;chterne, das die Convenienz<lb/>
hin&#x017F;tellt; wie ging unter uns eine heimi&#x017F;che Ver¬<lb/>
traulichkeit auf, die, ein elektri&#x017F;cher Hauch mich<lb/>
durchglu&#x0364;hend, die verzagte Beklommenheit, welche<lb/>
wie Eis auf meiner Bru&#x017F;t lag, &#x017F;chnell wegzehrte.<lb/>
Jener &#x017F;elt&#x017F;ame Pathos, wie ihn &#x017F;olche Verliebtheit,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[123/0131] ſie reicht mir die Nummern, die ich verlange, und haͤlt ſorgſam die Rolle, die ich abwickle; ploͤtzlich ſchnurrt eine auf, ſo daß die Baronin ein ungedul¬ diges Ach! ausſtoͤßt — Fraͤulein Adelheid lacht laut auf, ich verfolge den verwirrten Knaͤuel bis in die Ecke des Zimmers, und wir alle ſuchen aus ihm noch eine gerade unzerknickte Saite herauszuziehen, die dann aufgezogen zu unſerm Leidweſen wieder ſpringt — aber endlich — endlich ſind gute Rollen gefunden, die Saiten fangen an zu ſtehen und aus dem mißtoͤnigen Sumſen gehen allmaͤhlig klare, reine Akkorde hervor! „Ach es gluͤckt, es gluͤckt — das Inſtrument ſtimmt ſich!“ ruft die Baro¬ nin, indem ſie mich mit holdem Laͤcheln anblickt! — Wie ſchnell vertrieb dies gemeinſchaftliche Muͤ¬ hen alles Fremde, Nuͤchterne, das die Convenienz hinſtellt; wie ging unter uns eine heimiſche Ver¬ traulichkeit auf, die, ein elektriſcher Hauch mich durchgluͤhend, die verzagte Beklommenheit, welche wie Eis auf meiner Bruſt lag, ſchnell wegzehrte. Jener ſeltſame Pathos, wie ihn ſolche Verliebtheit,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/131
Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/131>, abgerufen am 13.05.2024.