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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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das meine!" -- Da ließ sie der Hofrath langsam her¬
ab, und setzte sie behutsam nieder in einen Lehnstuhl.
Dann blieb er stehen, die gefaltenen Hände an die
Stirn gedrückt. -- Es war todtenstill rings um¬
her. -- Kein Laut -- keine Bewegung der Anwe¬
senden! -- Dann sank der Hofrath auf beide Knie.
Lebensröthe im Gesicht, helle Thränen in den Au¬
gen hob er das Haupt empor, beide Arme hoch aus¬
gestreckt zum Himmel, sprach er leise und feierlich:
"Ewig waltende unerforschliche Macht dort oben, das
war dein Wille, -- Mein verworrenes Leben nur
der Keim, der im Schooß der Erde ruhend, den
frischen Baum emportreibt mit herrlichen Blüthen
und Früchten? -- O Julie, Julie! -- o ich armer
verblendeter Thor" -- Der Hofrath verhüllte sein
Gesicht, man vernahm sein Weinen. -- So dauerte
es einige Sekunden, dann sprang der Hofrath plötz¬
lich auf, stürzte auf Max, der wie betäubt da stand,
los, riß ihn an seine Brust, und schrie, wie außer
sich: "Du liebst Julien, du bist mein Sohn -- nein
mehr als das, du bist ich ich selbst -- Alles gehört
dir -- du bist reich, sehr reich -- du hast ein Land¬
gut -- Häuser, baares Geld -- laß mich bei dir
bleiben, du sollst mir das Gnadenbrot geben in mei¬
nen alten Tagen -- nicht wahr, du thust das? --

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das meine!“ — Da ließ ſie der Hofrath langſam her¬
ab, und ſetzte ſie behutſam nieder in einen Lehnſtuhl.
Dann blieb er ſtehen, die gefaltenen Haͤnde an die
Stirn gedruͤckt. — Es war todtenſtill rings um¬
her. — Kein Laut — keine Bewegung der Anwe¬
ſenden! — Dann ſank der Hofrath auf beide Knie.
Lebensroͤthe im Geſicht, helle Thraͤnen in den Au¬
gen hob er das Haupt empor, beide Arme hoch aus¬
geſtreckt zum Himmel, ſprach er leiſe und feierlich:
„Ewig waltende unerforſchliche Macht dort oben, das
war dein Wille, — Mein verworrenes Leben nur
der Keim, der im Schooß der Erde ruhend, den
friſchen Baum emportreibt mit herrlichen Bluͤthen
und Fruͤchten? — O Julie, Julie! — o ich armer
verblendeter Thor“ — Der Hofrath verhuͤllte ſein
Geſicht, man vernahm ſein Weinen. — So dauerte
es einige Sekunden, dann ſprang der Hofrath ploͤtz¬
lich auf, ſtuͤrzte auf Max, der wie betaͤubt da ſtand,
los, riß ihn an ſeine Bruſt, und ſchrie, wie außer
ſich: „Du liebſt Julien, du biſt mein Sohn — nein
mehr als das, du biſt ich ich ſelbſt — Alles gehoͤrt
dir — du biſt reich, ſehr reich — du haſt ein Land¬
gut — Haͤuſer, baares Geld — laß mich bei dir
bleiben, du ſollſt mir das Gnadenbrot geben in mei¬
nen alten Tagen — nicht wahr, du thuſt das? —

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[369/0377] das meine!“ — Da ließ ſie der Hofrath langſam her¬ ab, und ſetzte ſie behutſam nieder in einen Lehnſtuhl. Dann blieb er ſtehen, die gefaltenen Haͤnde an die Stirn gedruͤckt. — Es war todtenſtill rings um¬ her. — Kein Laut — keine Bewegung der Anwe¬ ſenden! — Dann ſank der Hofrath auf beide Knie. Lebensroͤthe im Geſicht, helle Thraͤnen in den Au¬ gen hob er das Haupt empor, beide Arme hoch aus¬ geſtreckt zum Himmel, ſprach er leiſe und feierlich: „Ewig waltende unerforſchliche Macht dort oben, das war dein Wille, — Mein verworrenes Leben nur der Keim, der im Schooß der Erde ruhend, den friſchen Baum emportreibt mit herrlichen Bluͤthen und Fruͤchten? — O Julie, Julie! — o ich armer verblendeter Thor“ — Der Hofrath verhuͤllte ſein Geſicht, man vernahm ſein Weinen. — So dauerte es einige Sekunden, dann ſprang der Hofrath ploͤtz¬ lich auf, ſtuͤrzte auf Max, der wie betaͤubt da ſtand, los, riß ihn an ſeine Bruſt, und ſchrie, wie außer ſich: „Du liebſt Julien, du biſt mein Sohn — nein mehr als das, du biſt ich ich ſelbſt — Alles gehoͤrt dir — du biſt reich, ſehr reich — du haſt ein Land¬ gut — Haͤuſer, baares Geld — laß mich bei dir bleiben, du ſollſt mir das Gnadenbrot geben in mei¬ nen alten Tagen — nicht wahr, du thuſt das? — Aa 2

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/377>, abgerufen am 13.05.2024.