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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt.
So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes,
holdes, aber in irgend einem psychischen Ueberreiz
verkränkeltes Wesen neben mir hatte. Bey irgend
einer heitern Wendung des Gesprächs, vorzüglich
wenn ich zur Würze wie scharfen Cayenne Pfeffer
irgend ein keckes bizarres Wort hineinstreute,
lächelte sie zwar, aber seltsam schmerzlich, wie zu hart
berührt. "Sie sind nicht heiter, meine Gnädige,
vielleicht der Besuch heute Morgen." -- So redete
ein nicht weit entfernt sitzender Officier meine Dame
an, aber in dem Augenblick faßte ihn sein Nachbar
schnell beim Arm und sagte ihm etwas ins Ohr,
während eine Frau an der andern Seite des Tisches
Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬
lichen Oper erwähnte, deren Darstellung sie in Paris
gesehen und mit der heutigen vergleichen werde. --
Meiner Nachbarin stürzten die Thränen aus den
Augen: "Bin ich nicht ein albernes Kind," wandte
sie sich zu mir. Schon erst hatte sie über Migraine
geklagt. "Die gewöhnliche Folge des nervösen

Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt.
So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes,
holdes, aber in irgend einem pſychiſchen Ueberreiz
verkraͤnkeltes Weſen neben mir hatte. Bey irgend
einer heitern Wendung des Geſpraͤchs, vorzuͤglich
wenn ich zur Wuͤrze wie ſcharfen Cayenne Pfeffer
irgend ein keckes bizarres Wort hineinſtreute,
laͤchelte ſie zwar, aber ſeltſam ſchmerzlich, wie zu hart
beruͤhrt. „Sie ſind nicht heiter, meine Gnaͤdige,
vielleicht der Beſuch heute Morgen.“ — So redete
ein nicht weit entfernt ſitzender Officier meine Dame
an, aber in dem Augenblick faßte ihn ſein Nachbar
ſchnell beim Arm und ſagte ihm etwas ins Ohr,
waͤhrend eine Frau an der andern Seite des Tiſches
Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬
lichen Oper erwaͤhnte, deren Darſtellung ſie in Paris
geſehen und mit der heutigen vergleichen werde. —
Meiner Nachbarin ſtuͤrzten die Thraͤnen aus den
Augen: „Bin ich nicht ein albernes Kind,“ wandte
ſie ſich zu mir. Schon erſt hatte ſie uͤber Migraine
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[60/0068] Stelle findet, wo der angegebene Ton wieder klingt. So macht' ich es und fand bald, daß ich ein zartes, holdes, aber in irgend einem pſychiſchen Ueberreiz verkraͤnkeltes Weſen neben mir hatte. Bey irgend einer heitern Wendung des Geſpraͤchs, vorzuͤglich wenn ich zur Wuͤrze wie ſcharfen Cayenne Pfeffer irgend ein keckes bizarres Wort hineinſtreute, laͤchelte ſie zwar, aber ſeltſam ſchmerzlich, wie zu hart beruͤhrt. „Sie ſind nicht heiter, meine Gnaͤdige, vielleicht der Beſuch heute Morgen.“ — So redete ein nicht weit entfernt ſitzender Officier meine Dame an, aber in dem Augenblick faßte ihn ſein Nachbar ſchnell beim Arm und ſagte ihm etwas ins Ohr, waͤhrend eine Frau an der andern Seite des Tiſches Gluth auf den Wangen und im Blick laut der herr¬ lichen Oper erwaͤhnte, deren Darſtellung ſie in Paris geſehen und mit der heutigen vergleichen werde. — Meiner Nachbarin ſtuͤrzten die Thraͤnen aus den Augen: „Bin ich nicht ein albernes Kind,“ wandte ſie ſich zu mir. Schon erſt hatte ſie uͤber Migraine geklagt. „Die gewoͤhnliche Folge des nervoͤſen

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/68>, abgerufen am 11.05.2024.