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[Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817.

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heimathlichem Gruß empfing. Mir wurde gleich,
so wie ich eintrat, ganz wohl zu Muthe, doch der
Großonkel blieb mitten im Saal stehen, schaute
rings umher und sprach mit sehr ernstem, beinahe
feierlichem Ton: "Also hier, dies soll der Ge¬
richtssaal seyn?" -- Franz, in die Höhe leuchtend,
so daß an der breiten dunkeln Wand ein heller Fleck,
wie eine Thüre groß, ins Auge fiel, sprach
dumpf und schmerzhaft: "Hier ist ja wohl schon
Gericht gehalten worden!" "Was kommt Euch ein,
Alter." rief der Onkel, indem er den Pelz schnell ab¬
warf und an das Kaminfeuer trat. "Es fuhr mir
nur so heraus," sprach Franz, zündete die Lichter
an und öffnete das Nebenzimmer, welches zu unsrer
Aufnahme ganz heimlich bereitet war. Nicht lange
dauerte es, so stand ein gedeckter Tisch vor dem
Kamin, der Alte trug wohlzubereitete Schüsseln
auf, denen, wie es uns beiden, dem Großonkel
und mir, recht behaglich war, eine tüchtige Schale
nach ächt nordischer Art gebrauten Punsches folgte.
Ermüdet von der Reise, suchte der Großonkel, so

heimathlichem Gruß empfing. Mir wurde gleich,
ſo wie ich eintrat, ganz wohl zu Muthe, doch der
Großonkel blieb mitten im Saal ſtehen, ſchaute
rings umher und ſprach mit ſehr ernſtem, beinahe
feierlichem Ton: „Alſo hier, dies ſoll der Ge¬
richtsſaal ſeyn?“ — Franz, in die Hoͤhe leuchtend,
ſo daß an der breiten dunkeln Wand ein heller Fleck,
wie eine Thuͤre groß, ins Auge fiel, ſprach
dumpf und ſchmerzhaft: „Hier iſt ja wohl ſchon
Gericht gehalten worden!“ „Was kommt Euch ein,
Alter.“ rief der Onkel, indem er den Pelz ſchnell ab¬
warf und an das Kaminfeuer trat. „Es fuhr mir
nur ſo heraus,“ ſprach Franz, zuͤndete die Lichter
an und oͤffnete das Nebenzimmer, welches zu unſrer
Aufnahme ganz heimlich bereitet war. Nicht lange
dauerte es, ſo ſtand ein gedeckter Tiſch vor dem
Kamin, der Alte trug wohlzubereitete Schuͤſſeln
auf, denen, wie es uns beiden, dem Großonkel
und mir, recht behaglich war, eine tuͤchtige Schale
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[89/0097] heimathlichem Gruß empfing. Mir wurde gleich, ſo wie ich eintrat, ganz wohl zu Muthe, doch der Großonkel blieb mitten im Saal ſtehen, ſchaute rings umher und ſprach mit ſehr ernſtem, beinahe feierlichem Ton: „Alſo hier, dies ſoll der Ge¬ richtsſaal ſeyn?“ — Franz, in die Hoͤhe leuchtend, ſo daß an der breiten dunkeln Wand ein heller Fleck, wie eine Thuͤre groß, ins Auge fiel, ſprach dumpf und ſchmerzhaft: „Hier iſt ja wohl ſchon Gericht gehalten worden!“ „Was kommt Euch ein, Alter.“ rief der Onkel, indem er den Pelz ſchnell ab¬ warf und an das Kaminfeuer trat. „Es fuhr mir nur ſo heraus,“ ſprach Franz, zuͤndete die Lichter an und oͤffnete das Nebenzimmer, welches zu unſrer Aufnahme ganz heimlich bereitet war. Nicht lange dauerte es, ſo ſtand ein gedeckter Tiſch vor dem Kamin, der Alte trug wohlzubereitete Schuͤſſeln auf, denen, wie es uns beiden, dem Großonkel und mir, recht behaglich war, eine tuͤchtige Schale nach aͤcht nordiſcher Art gebrauten Punſches folgte. Ermuͤdet von der Reiſe, ſuchte der Großonkel, ſo

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Zitationshilfe: [Hoffmann, E. T. A.]: Nachtstücke. Bd. 2. Berlin, 1817, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmann_nachtstuecke02_1817/97>, abgerufen am 11.05.2024.