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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703.

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Begräbniß-Gedichte.
Sie muste flüchtig seyn/ der garten ward verschlossen.
Ach! sagte sie vielleicht/ ihr bäume gute nacht/
Jhr blumen lebet wohl/ lebt wohl beglückten auen/
Jch werd'/ ich soll und muß nun leider eure pracht/
Die mich so sehr vergnügt/ nicht ferner wieder schauen.
Ein apfel raubet mir den gantzen garten hin/
Es warten schon auff mich viel schmertzliche beschwerden/
Noth/ arbeit und verdruß bleibt künfftig mein gewinn/
Lebt wohl/ mein paradiß muß mir zur wüste werden.
Hoch-selige/ du hast den nahmen auch geführt/
Den Eva vormahls hat im paradieß bekommen/
Und hast/ wie Even einst der ursprung hat geziert/
Den anfang gleichsam auch im paradieß genommen.
Denn deines vaters hauß war Edens garten gleich/
Aus dem so mancher bach*/ ja ströme sind entsprossen/
Die/ weil sie allerseits an gold der weißheit reich/
Sich in die weite welt mit tausend nutz ergossen.
Zu dem so ist hier auch das werthe Gottes-hauß
Dir an vergnügungen ein paradieß gewesen;
Jn dieses giengest du mit freuden ein und aus/
Und hast vom lebens-baum erlaubte frucht gelesen.
Jtzt zahlst du zwar die schuld/ die Eva hat gemacht/
Und wirst dem kalten heer der todten zugefüget/
Du giebst dem theuren paar der brüder gute nacht/
Und meidest/ was dich sonst hat auf der welt vergnüget.
Jedoch du bist beglückt: denn dein erlöster geist
Hat einen bessern tausch als Eva einst getroffen.
Denn nun du aus der welt als einer wüste reist/
Steht dir das paradieß des hohen himmels offen.
Wohlan! ich lasse hier noch meine letzte pflicht/
Die ich dir schuldig bin/ bey deiner baare schauen/
Und will diß/ was bereits der nachruhm von dir spricht/
Auf deinen leichen-stein an statt der grabschrifft hauen:
Hie ruhet Evens leib/ die zu dem bräutigam
Den andern Adam selbst im glauben überkommen/
Daher
* Alluditur ad celeberrimum Rivinorum nomen.
Begraͤbniß-Gedichte.
Sie muſte fluͤchtig ſeyn/ der garten ward verſchloſſen.
Ach! ſagte ſie vielleicht/ ihr baͤume gute nacht/
Jhr blumen lebet wohl/ lebt wohl begluͤckten auen/
Jch werd’/ ich ſoll und muß nun leider eure pracht/
Die mich ſo ſehr vergnuͤgt/ nicht ferner wieder ſchauen.
Ein apfel raubet mir den gantzen garten hin/
Es warten ſchon auff mich viel ſchmertzliche beſchwerden/
Noth/ arbeit und verdruß bleibt kuͤnfftig mein gewinn/
Lebt wohl/ mein paradiß muß mir zur wuͤſte werden.
Hoch-ſelige/ du haſt den nahmen auch gefuͤhrt/
Den Eva vormahls hat im paradieß bekommen/
Und haſt/ wie Even einſt der urſprung hat geziert/
Den anfang gleichſam auch im paradieß genommen.
Denn deines vaters hauß war Edens garten gleich/
Aus dem ſo mancher bach*/ ja ſtroͤme ſind entſproſſen/
Die/ weil ſie allerſeits an gold der weißheit reich/
Sich in die weite welt mit tauſend nutz ergoſſen.
Zu dem ſo iſt hier auch das werthe Gottes-hauß
Dir an vergnuͤgungen ein paradieß geweſen;
Jn dieſes giengeſt du mit freuden ein und aus/
Und haſt vom lebens-baum erlaubte frucht geleſen.
Jtzt zahlſt du zwar die ſchuld/ die Eva hat gemacht/
Und wirſt dem kalten heer der todten zugefuͤget/
Du giebſt dem theuren paar der bruͤder gute nacht/
Und meideſt/ was dich ſonſt hat auf der welt vergnuͤget.
Jedoch du biſt begluͤckt: denn dein erloͤſter geiſt
Hat einen beſſern tauſch als Eva einſt getroffen.
Denn nun du aus der welt als einer wuͤſte reiſt/
Steht dir das paradieß des hohen himmels offen.
Wohlan! ich laſſe hier noch meine letzte pflicht/
Die ich dir ſchuldig bin/ bey deiner baare ſchauen/
Und will diß/ was bereits der nachruhm von dir ſpricht/
Auf deinen leichen-ſtein an ſtatt der grabſchrifft hauen:
Hie ruhet Evens leib/ die zu dem braͤutigam
Den andern Adam ſelbſt im glauben uͤberkommen/
Daher
* Alluditur ad celeberrimum Rivinorum nomen.
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[220/0230] Begraͤbniß-Gedichte. Sie muſte fluͤchtig ſeyn/ der garten ward verſchloſſen. Ach! ſagte ſie vielleicht/ ihr baͤume gute nacht/ Jhr blumen lebet wohl/ lebt wohl begluͤckten auen/ Jch werd’/ ich ſoll und muß nun leider eure pracht/ Die mich ſo ſehr vergnuͤgt/ nicht ferner wieder ſchauen. Ein apfel raubet mir den gantzen garten hin/ Es warten ſchon auff mich viel ſchmertzliche beſchwerden/ Noth/ arbeit und verdruß bleibt kuͤnfftig mein gewinn/ Lebt wohl/ mein paradiß muß mir zur wuͤſte werden. Hoch-ſelige/ du haſt den nahmen auch gefuͤhrt/ Den Eva vormahls hat im paradieß bekommen/ Und haſt/ wie Even einſt der urſprung hat geziert/ Den anfang gleichſam auch im paradieß genommen. Denn deines vaters hauß war Edens garten gleich/ Aus dem ſo mancher bach */ ja ſtroͤme ſind entſproſſen/ Die/ weil ſie allerſeits an gold der weißheit reich/ Sich in die weite welt mit tauſend nutz ergoſſen. Zu dem ſo iſt hier auch das werthe Gottes-hauß Dir an vergnuͤgungen ein paradieß geweſen; Jn dieſes giengeſt du mit freuden ein und aus/ Und haſt vom lebens-baum erlaubte frucht geleſen. Jtzt zahlſt du zwar die ſchuld/ die Eva hat gemacht/ Und wirſt dem kalten heer der todten zugefuͤget/ Du giebſt dem theuren paar der bruͤder gute nacht/ Und meideſt/ was dich ſonſt hat auf der welt vergnuͤget. Jedoch du biſt begluͤckt: denn dein erloͤſter geiſt Hat einen beſſern tauſch als Eva einſt getroffen. Denn nun du aus der welt als einer wuͤſte reiſt/ Steht dir das paradieß des hohen himmels offen. Wohlan! ich laſſe hier noch meine letzte pflicht/ Die ich dir ſchuldig bin/ bey deiner baare ſchauen/ Und will diß/ was bereits der nachruhm von dir ſpricht/ Auf deinen leichen-ſtein an ſtatt der grabſchrifft hauen: Hie ruhet Evens leib/ die zu dem braͤutigam Den andern Adam ſelbſt im glauben uͤberkommen/ Daher * Alluditur ad celeberrimum Rivinorum nomen.

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckter Gedichte. Bd. 3. Leipzig, 1703, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte03_1703/230>, abgerufen am 29.04.2024.