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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Hochzeit-Gedichte.
Höchster anmuth deinen geist läst nach eignem wunsch geniessen;
Du erfährst, was jeder hofft, doch was wenigen geschieht:
Deine hoffnung hat vielleicht rechten grund zu finden wissen,
Worauf itzt dein wachsend glück durch die lieb ist aufgeblüht.
Nein, dem himmel schreibt mans zu, welcher durch verborgne wege
Wider der gedancken zweck führet deine wohlfahrt aus.
Mancher sinnt auf einen fund, macht ihm tausend überschläge,
Und gebiert, wie jener berg, eine lächerliche mauß.
Dieser sucht Pandoren auf, einen ausbund rarer nymphen,
Welche schönheit, tugend, witz, reichthum fast zum wunder
macht;
Findet aber Hecuben in zerrißnen schuh und strümpffen,
Wenn der eingebildte wahn aus dem liebes-schlaf erwacht.
Dort hat man Penelopen einem freyer vorgeschlagen,
Derer fleiß-gewohnte hand stets in voller arbeit sey;
Doch er muß den mißverstand leyder! nur zu spät beklagen,
Daß die gleichheits-probe heist drockerhaffte tendeley.
Dieser hat Lucretien ein recht tugend-bild gefunden,
Die den ruhm belobter zucht höher als das leben hält;
Doch darff kein Tarquinius dräun, sie tödlich zu verwunden,
Denn sie hat den alten brauch solcher einfalt abgestellt.
Unlängst rühmte mir ein freund eine treueste Alceste,
Die dem manne zugebracht ein sehr reich gesegnet hauß;
Doch das cornu copiae kriegte hin und wieder äste,
Und zu höchster ungeduld ward ein cornu cervi draus.
Als Placidius nächst saß in verwirreten gedancken,
Dacht ich: hat Eusebie keinen trost vor ihren mann?
Nein, sein engel kunte nichts, als nur fluchen, schelten, zancken,
Gleichwie jenes böse kraut ihrem Socrates gethan.
O verkehrte welt und zeit! Daphne dachte nicht zu fliehen,
Als ihr Phöbus wiederkam, brach von ihrem lorbeer-baum
Zweig und laub zum braut-crantz ab: Sirinx wolt sich nicht ent-
ziehen,
Sondern macht in ihrem schilff bald vor zwey personen raum.
Dieses ward in Syracus dem hochlöblichen gerichte
Alter Griechen kund gethan; hier saß Stagyritens geist,
Welchen schon zwey tausend jahr, nach glaubwürdiger geschichte,
Jn Euripens tieffen schlund schwartze finsterniß beschleust.
Plato
Hofm. w. V. Th. E
Hochzeit-Gedichte.
Hoͤchſter anmuth deinen geiſt laͤſt nach eignem wunſch genieſſen;
Du erfaͤhrſt, was jeder hofft, doch was wenigen geſchieht:
Deine hoffnung hat vielleicht rechten grund zu finden wiſſen,
Worauf itzt dein wachſend gluͤck durch die lieb iſt aufgebluͤht.
Nein, dem himmel ſchreibt mans zu, welcher durch verborgne wege
Wider der gedancken zweck fuͤhret deine wohlfahrt aus.
Mancher ſinnt auf einen fund, macht ihm tauſend uͤberſchlaͤge,
Und gebiert, wie jener berg, eine laͤcherliche mauß.
Dieſer ſucht Pandoren auf, einen ausbund rarer nymphen,
Welche ſchoͤnheit, tugend, witz, reichthum faſt zum wunder
macht;
Findet aber Hecuben in zerrißnen ſchuh und ſtruͤmpffen,
Wenn der eingebildte wahn aus dem liebes-ſchlaf erwacht.
Dort hat man Penelopen einem freyer vorgeſchlagen,
Derer fleiß-gewohnte hand ſtets in voller arbeit ſey;
Doch er muß den mißverſtand leyder! nur zu ſpaͤt beklagen,
Daß die gleichheits-probe heiſt drockerhaffte tendeley.
Dieſer hat Lucretien ein recht tugend-bild gefunden,
Die den ruhm belobter zucht hoͤher als das leben haͤlt;
Doch darff kein Tarquinius draͤun, ſie toͤdlich zu verwunden,
Denn ſie hat den alten brauch ſolcher einfalt abgeſtellt.
Unlaͤngſt ruͤhmte mir ein freund eine treueſte Alceſte,
Die dem manne zugebracht ein ſehr reich geſegnet hauß;
Doch das cornu copiæ kriegte hin und wieder aͤſte,
Und zu hoͤchſter ungeduld ward ein cornu cervi draus.
Als Placidius naͤchſt ſaß in verwirreten gedancken,
Dacht ich: hat Euſebie keinen troſt vor ihren mann?
Nein, ſein engel kunte nichts, als nur fluchen, ſchelten, zancken,
Gleichwie jenes boͤſe kraut ihrem Socrates gethan.
O verkehrte welt und zeit! Daphne dachte nicht zu fliehen,
Als ihr Phoͤbus wiederkam, brach von ihrem lorbeer-baum
Zweig und laub zum braut-crantz ab: Sirinx wolt ſich nicht ent-
ziehen,
Sondern macht in ihrem ſchilff bald vor zwey perſonen raum.
Dieſes ward in Syracus dem hochloͤblichen gerichte
Alter Griechen kund gethan; hier ſaß Stagyritens geiſt,
Welchen ſchon zwey tauſend jahr, nach glaubwuͤrdiger geſchichte,
Jn Euripens tieffen ſchlund ſchwartze finſterniß beſchleuſt.
Plato
Hofm. w. V. Th. E
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[65/0067] Hochzeit-Gedichte. Hoͤchſter anmuth deinen geiſt laͤſt nach eignem wunſch genieſſen; Du erfaͤhrſt, was jeder hofft, doch was wenigen geſchieht: Deine hoffnung hat vielleicht rechten grund zu finden wiſſen, Worauf itzt dein wachſend gluͤck durch die lieb iſt aufgebluͤht. Nein, dem himmel ſchreibt mans zu, welcher durch verborgne wege Wider der gedancken zweck fuͤhret deine wohlfahrt aus. Mancher ſinnt auf einen fund, macht ihm tauſend uͤberſchlaͤge, Und gebiert, wie jener berg, eine laͤcherliche mauß. Dieſer ſucht Pandoren auf, einen ausbund rarer nymphen, Welche ſchoͤnheit, tugend, witz, reichthum faſt zum wunder macht; Findet aber Hecuben in zerrißnen ſchuh und ſtruͤmpffen, Wenn der eingebildte wahn aus dem liebes-ſchlaf erwacht. Dort hat man Penelopen einem freyer vorgeſchlagen, Derer fleiß-gewohnte hand ſtets in voller arbeit ſey; Doch er muß den mißverſtand leyder! nur zu ſpaͤt beklagen, Daß die gleichheits-probe heiſt drockerhaffte tendeley. Dieſer hat Lucretien ein recht tugend-bild gefunden, Die den ruhm belobter zucht hoͤher als das leben haͤlt; Doch darff kein Tarquinius draͤun, ſie toͤdlich zu verwunden, Denn ſie hat den alten brauch ſolcher einfalt abgeſtellt. Unlaͤngſt ruͤhmte mir ein freund eine treueſte Alceſte, Die dem manne zugebracht ein ſehr reich geſegnet hauß; Doch das cornu copiæ kriegte hin und wieder aͤſte, Und zu hoͤchſter ungeduld ward ein cornu cervi draus. Als Placidius naͤchſt ſaß in verwirreten gedancken, Dacht ich: hat Euſebie keinen troſt vor ihren mann? Nein, ſein engel kunte nichts, als nur fluchen, ſchelten, zancken, Gleichwie jenes boͤſe kraut ihrem Socrates gethan. O verkehrte welt und zeit! Daphne dachte nicht zu fliehen, Als ihr Phoͤbus wiederkam, brach von ihrem lorbeer-baum Zweig und laub zum braut-crantz ab: Sirinx wolt ſich nicht ent- ziehen, Sondern macht in ihrem ſchilff bald vor zwey perſonen raum. Dieſes ward in Syracus dem hochloͤblichen gerichte Alter Griechen kund gethan; hier ſaß Stagyritens geiſt, Welchen ſchon zwey tauſend jahr, nach glaubwuͤrdiger geſchichte, Jn Euripens tieffen ſchlund ſchwartze finſterniß beſchleuſt. Plato Hofm. w. V. Th. E

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/67>, abgerufen am 28.04.2024.