Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

hänglichkeit zu Stande gebracht und durch tausend Schwüre unverbrüchlicher Treue von beiden, an Alter und Wesen so verschiedenen Persönlichkeiten besiegelt war. Die Muhme-Lieutnanten besaß nun, wonach sie sich immer gesehnt: einen Gegenstand uneigennützigster, reinster Sorgfalt für ihr armes, gemißhandeltes, dennoch so volles Herz, -- so reich in seiner Armuth. Sie empfing von Gustel eben so viele Liebkosungen, als sie von Hanepich Püffe empfangen. Und das will viel sagen. Sie mußte ihm noch unter dem Schalle der Geschütze, die von den Bastionen auf den Feind gelöset, unter dem Krachen der Granaten, die aus feindlichem Lager in die Stadt geschleudert wurden, unter diesem feierlich dröhnenden Donner mußte sie ihm Hand und Wort geben, künftighin mit den seinigen, folglich mit ihm zusammen zu bleiben und sich ihrem Haushalte anzuschließen. Eine größere Wohnung hatten Tiesel's ohnehin schon gemiethet, konnten diese nur jetzt, wo gerade um die Ausziehzeit das Bombardement am heftigsten gewesen, nicht gegen die bisherige vertauschen und waren darüber nicht böse, weil sie fürs Erste recht gern in ihrem Gewölbe verblieben.

Das neue Jahr begann, die Festung übergab sich, die Truppen rückten aus, die Feinde rückten ein -- und Familie Tiesel, um einen Kopf stärker, verließ das Langeholzgässel, um nicht weit davon in die Altbüssergasse zu ziehen, wo größere Räume ihrer warteten, und wo sich bequem ein einlitziges Stübchen der Muhme-

hänglichkeit zu Stande gebracht und durch tausend Schwüre unverbrüchlicher Treue von beiden, an Alter und Wesen so verschiedenen Persönlichkeiten besiegelt war. Die Muhme-Lieutnanten besaß nun, wonach sie sich immer gesehnt: einen Gegenstand uneigennützigster, reinster Sorgfalt für ihr armes, gemißhandeltes, dennoch so volles Herz, — so reich in seiner Armuth. Sie empfing von Gustel eben so viele Liebkosungen, als sie von Hanepich Püffe empfangen. Und das will viel sagen. Sie mußte ihm noch unter dem Schalle der Geschütze, die von den Bastionen auf den Feind gelöset, unter dem Krachen der Granaten, die aus feindlichem Lager in die Stadt geschleudert wurden, unter diesem feierlich dröhnenden Donner mußte sie ihm Hand und Wort geben, künftighin mit den seinigen, folglich mit ihm zusammen zu bleiben und sich ihrem Haushalte anzuschließen. Eine größere Wohnung hatten Tiesel's ohnehin schon gemiethet, konnten diese nur jetzt, wo gerade um die Ausziehzeit das Bombardement am heftigsten gewesen, nicht gegen die bisherige vertauschen und waren darüber nicht böse, weil sie fürs Erste recht gern in ihrem Gewölbe verblieben.

Das neue Jahr begann, die Festung übergab sich, die Truppen rückten aus, die Feinde rückten ein — und Familie Tiesel, um einen Kopf stärker, verließ das Langeholzgässel, um nicht weit davon in die Altbüssergasse zu ziehen, wo größere Räume ihrer warteten, und wo sich bequem ein einlitziges Stübchen der Muhme-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0015"/>
hänglichkeit zu Stande gebracht und                     durch tausend Schwüre unverbrüchlicher Treue von beiden, an Alter und Wesen so                     verschiedenen Persönlichkeiten besiegelt war. Die Muhme-Lieutnanten besaß nun,                     wonach sie sich immer gesehnt: einen Gegenstand uneigennützigster, reinster                     Sorgfalt für ihr armes, gemißhandeltes, dennoch so volles Herz, &#x2014; so reich in                     seiner Armuth. Sie empfing von Gustel eben so viele Liebkosungen, als sie von                     Hanepich Püffe empfangen. Und das will viel sagen. Sie mußte ihm noch unter dem                     Schalle der Geschütze, die von den Bastionen auf den Feind gelöset, unter dem                     Krachen der Granaten, die aus feindlichem Lager in die Stadt geschleudert                     wurden, unter diesem feierlich dröhnenden Donner mußte sie ihm Hand und Wort                     geben, künftighin mit den seinigen, folglich mit ihm zusammen zu bleiben und                     sich ihrem Haushalte anzuschließen. Eine größere Wohnung hatten Tiesel's ohnehin                     schon gemiethet, konnten diese nur jetzt, wo gerade um die Ausziehzeit das                     Bombardement am heftigsten gewesen, nicht gegen die bisherige vertauschen und                     waren darüber nicht böse, weil sie fürs Erste recht gern in ihrem Gewölbe                     verblieben.</p><lb/>
        <p>Das neue Jahr begann, die Festung übergab sich, die Truppen rückten aus, die                     Feinde rückten ein &#x2014; und Familie Tiesel, um einen Kopf stärker, verließ das                     Langeholzgässel, um nicht weit davon in die Altbüssergasse zu ziehen, wo größere                     Räume ihrer warteten, und wo sich bequem ein einlitziges Stübchen der                     Muhme-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] hänglichkeit zu Stande gebracht und durch tausend Schwüre unverbrüchlicher Treue von beiden, an Alter und Wesen so verschiedenen Persönlichkeiten besiegelt war. Die Muhme-Lieutnanten besaß nun, wonach sie sich immer gesehnt: einen Gegenstand uneigennützigster, reinster Sorgfalt für ihr armes, gemißhandeltes, dennoch so volles Herz, — so reich in seiner Armuth. Sie empfing von Gustel eben so viele Liebkosungen, als sie von Hanepich Püffe empfangen. Und das will viel sagen. Sie mußte ihm noch unter dem Schalle der Geschütze, die von den Bastionen auf den Feind gelöset, unter dem Krachen der Granaten, die aus feindlichem Lager in die Stadt geschleudert wurden, unter diesem feierlich dröhnenden Donner mußte sie ihm Hand und Wort geben, künftighin mit den seinigen, folglich mit ihm zusammen zu bleiben und sich ihrem Haushalte anzuschließen. Eine größere Wohnung hatten Tiesel's ohnehin schon gemiethet, konnten diese nur jetzt, wo gerade um die Ausziehzeit das Bombardement am heftigsten gewesen, nicht gegen die bisherige vertauschen und waren darüber nicht böse, weil sie fürs Erste recht gern in ihrem Gewölbe verblieben. Das neue Jahr begann, die Festung übergab sich, die Truppen rückten aus, die Feinde rückten ein — und Familie Tiesel, um einen Kopf stärker, verließ das Langeholzgässel, um nicht weit davon in die Altbüssergasse zu ziehen, wo größere Räume ihrer warteten, und wo sich bequem ein einlitziges Stübchen der Muhme-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T11:49:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T11:49:22Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/15
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: 's Muhme-Leutnant-Saloppel. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 12. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 195–231. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_saloppel_1910/15>, abgerufen am 26.04.2024.