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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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"Sie sind kein Franzose?"

Jch bin ein geborener Deutscher.

"Und führen nur eine französische Etikette, wie
leider unser Champagner bisweilen thut. Ja, ja, ich
besinne mich, davon gehört zu haben: romantische
Geschichte, mit Jntrigue, Entführung und dergleichen.
Sie sind noch sehr jung! -- Aber nehmen Sie
Platz. Jch freue mich, Sie bei mir zu sehen. Jhr
Violinspiel zu Pferde hat eigenthümliche Empfindun-
gen in mir hervorgebracht: es liegt Seele in ihrem
Ton. -- Sind Sie nun wieder ganz hergestellt?"

Körperlich wohl. Aber ....

"Aha, es steckt' was im Herzen? Jhr Herren
von der Kunstreiterei sollt sehr empfänglich sein für
Leiden und Freuden dieser Gattung."

Mein Leid ist anderer Art. Es erfüllt den ganzen
Menschen. Es ist ein Herzeleid und ein Seelen-
leiden, gegen welche ich Rath und Hülfe bei Jhnen
holen will.

"Bei mir?"

Sie sind der Einzige, der mir beides geben kann;
der Einzige zu dem ich unbedingtes Vertrauen hege.

"Rath und Hülfe gegen Seelenleiden bei mir?
Bei mir, dem größten Hypochonder im ganzen König-

„Sie ſind kein Franzoſe?“

Jch bin ein geborener Deutſcher.

„Und fuͤhren nur eine franzoͤſiſche Etikette, wie
leider unſer Champagner bisweilen thut. Ja, ja, ich
beſinne mich, davon gehoͤrt zu haben: romantiſche
Geſchichte, mit Jntrigue, Entfuͤhrung und dergleichen.
Sie ſind noch ſehr jung! — Aber nehmen Sie
Platz. Jch freue mich, Sie bei mir zu ſehen. Jhr
Violinſpiel zu Pferde hat eigenthuͤmliche Empfindun-
gen in mir hervorgebracht: es liegt Seele in ihrem
Ton. — Sind Sie nun wieder ganz hergeſtellt?“

Koͤrperlich wohl. Aber ....

„Aha, es ſteckt’ was im Herzen? Jhr Herren
von der Kunſtreiterei ſollt ſehr empfaͤnglich ſein fuͤr
Leiden und Freuden dieſer Gattung.“

Mein Leid iſt anderer Art. Es erfuͤllt den ganzen
Menſchen. Es iſt ein Herzeleid und ein Seelen-
leiden, gegen welche ich Rath und Huͤlfe bei Jhnen
holen will.

„Bei mir?“

Sie ſind der Einzige, der mir beides geben kann;
der Einzige zu dem ich unbedingtes Vertrauen hege.

„Rath und Huͤlfe gegen Seelenleiden bei mir?
Bei mir, dem groͤßten Hypochonder im ganzen Koͤnig-

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[100/0102] „Sie ſind kein Franzoſe?“ Jch bin ein geborener Deutſcher. „Und fuͤhren nur eine franzoͤſiſche Etikette, wie leider unſer Champagner bisweilen thut. Ja, ja, ich beſinne mich, davon gehoͤrt zu haben: romantiſche Geſchichte, mit Jntrigue, Entfuͤhrung und dergleichen. Sie ſind noch ſehr jung! — Aber nehmen Sie Platz. Jch freue mich, Sie bei mir zu ſehen. Jhr Violinſpiel zu Pferde hat eigenthuͤmliche Empfindun- gen in mir hervorgebracht: es liegt Seele in ihrem Ton. — Sind Sie nun wieder ganz hergeſtellt?“ Koͤrperlich wohl. Aber .... „Aha, es ſteckt’ was im Herzen? Jhr Herren von der Kunſtreiterei ſollt ſehr empfaͤnglich ſein fuͤr Leiden und Freuden dieſer Gattung.“ Mein Leid iſt anderer Art. Es erfuͤllt den ganzen Menſchen. Es iſt ein Herzeleid und ein Seelen- leiden, gegen welche ich Rath und Huͤlfe bei Jhnen holen will. „Bei mir?“ Sie ſind der Einzige, der mir beides geben kann; der Einzige zu dem ich unbedingtes Vertrauen hege. „Rath und Huͤlfe gegen Seelenleiden bei mir? Bei mir, dem groͤßten Hypochonder im ganzen Koͤnig-

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/102>, abgerufen am 05.05.2024.