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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

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Meinung am herrlichsten der deutsche Dichter Ema-
nuel Geibel,
wenn er in zwei Worten es sagt:

"Dir selbst bewust kaum, ist Dein Leid
Ein Heimweh nach der Ewigkeit" *).

Dieses Heimweh nach einer Heimath, die hienie-
den nicht blüht, fühlte unser Anton, seiner selbst unbe-
wust, während er um den Verlust seiner Freundin
trauerte. Adele war ihm eben nur der Name für
etwas Namenloses! Und haben wir nicht alle einmal
so geliebt, und so gesehnt?? -- Und so gegrämt?
-- Wohl jedem, der es nicht gethan, -- würde ich
sagen, müßte ich nicht zugleich sagen: Weh' jedem,
der es nicht gethan!



Jch kann nicht Kunstreiter bleiben, sagte Anton
vom Schmerze darnieder gebeugt. Lieber betteln! Jch
kann nicht; ich will nicht.

Er ging zu Guillaume, von diesem Entlassung zu
erflehen. Guillaume erwiederte, zwar sei es nicht
Gebrauch, daß ein Eleve vor Ablauf der bedungenen

*) Siehe: Junius-Lieder von E. Geibel. Das
Geheimniß der Sehnsucht.

Meinung am herrlichſten der deutſche Dichter Ema-
nuel Geibel,
wenn er in zwei Worten es ſagt:

„Dir ſelbſt bewuſt kaum, iſt Dein Leid
Ein Heimweh nach der Ewigkeit“ *).

Dieſes Heimweh nach einer Heimath, die hienie-
den nicht bluͤht, fuͤhlte unſer Anton, ſeiner ſelbſt unbe-
wuſt, waͤhrend er um den Verluſt ſeiner Freundin
trauerte. Adele war ihm eben nur der Name fuͤr
etwas Namenloſes! Und haben wir nicht alle einmal
ſo geliebt, und ſo geſehnt?? — Und ſo gegraͤmt?
— Wohl jedem, der es nicht gethan, — wuͤrde ich
ſagen, muͤßte ich nicht zugleich ſagen: Weh’ jedem,
der es nicht gethan!



Jch kann nicht Kunſtreiter bleiben, ſagte Anton
vom Schmerze darnieder gebeugt. Lieber betteln! Jch
kann nicht; ich will nicht.

Er ging zu Guillaume, von dieſem Entlaſſung zu
erflehen. Guillaume erwiederte, zwar ſei es nicht
Gebrauch, daß ein Eleve vor Ablauf der bedungenen

*) Siehe: Junius-Lieder von E. Geibel. Das
Geheimniß der Sehnſucht.
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[171/0173] Meinung am herrlichſten der deutſche Dichter Ema- nuel Geibel, wenn er in zwei Worten es ſagt: „Dir ſelbſt bewuſt kaum, iſt Dein Leid Ein Heimweh nach der Ewigkeit“ *). Dieſes Heimweh nach einer Heimath, die hienie- den nicht bluͤht, fuͤhlte unſer Anton, ſeiner ſelbſt unbe- wuſt, waͤhrend er um den Verluſt ſeiner Freundin trauerte. Adele war ihm eben nur der Name fuͤr etwas Namenloſes! Und haben wir nicht alle einmal ſo geliebt, und ſo geſehnt?? — Und ſo gegraͤmt? — Wohl jedem, der es nicht gethan, — wuͤrde ich ſagen, muͤßte ich nicht zugleich ſagen: Weh’ jedem, der es nicht gethan! Jch kann nicht Kunſtreiter bleiben, ſagte Anton vom Schmerze darnieder gebeugt. Lieber betteln! Jch kann nicht; ich will nicht. Er ging zu Guillaume, von dieſem Entlaſſung zu erflehen. Guillaume erwiederte, zwar ſei es nicht Gebrauch, daß ein Eleve vor Ablauf der bedungenen *) Siehe: Junius-Lieder von E. Geibel. Das Geheimniß der Sehnſucht.

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/173>, abgerufen am 07.05.2024.