Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Wohlthäter, Schmutzel, deren Gesellen, auch
Theodor wissen ihn sehr zu schätzen. Er ist für ihre
Zwecke von hohem Werth. Denn wie tief er auch
schon versunken, wie groß der Abstand sein mag zwi-
schen dem sogenannten Baron de la Vanniere und
jenem Antoine, der in Vlämerts Wachsfigurenkabinet
das blonde Käthchen dem biedern Gatten wieder
zuführte, ... immer noch ist genug übrig geblieben
und vorhanden von unserm ehrlichen, naturfrommen
Anton aus Liebenau, um daß er zwischen jenen Men-
schen sich ausnehme, wie zwischen Dohlen und Raben
die weiße Taube. Die Jugendfrische kindlicher Un-
schuld spricht freilich aus seinen Zügen nicht mehr;
aber noch künden sie ein reines, nur verirrtes Herz;
noch wecken sie Vertrauen, fordern zu gläubiger
Freundschaft auf. Und deshalb, -- es ist fürchterlich
zu denken, -- deshalb hielten die Spieler ihn werth.
Nicht etwa, um Geld von ihm zu gewinnen; darum
war es ihnen nicht. Wenn sie schon nicht argwöhnen
konnten, Theodor am Wenigsten, es sei des Letzteren
Kasse, aus welcher der Baron den Baron beziehe,
hatten sie doch bald eingesehen, bei ihm sei nicht viel
zu holen. Folglich spielten sie mit ihm gar nicht;
forderten ihn gar nicht dazu auf. Sie wollten nur

Der Wohlthaͤter, Schmutzel, deren Geſellen, auch
Theodor wiſſen ihn ſehr zu ſchaͤtzen. Er iſt fuͤr ihre
Zwecke von hohem Werth. Denn wie tief er auch
ſchon verſunken, wie groß der Abſtand ſein mag zwi-
ſchen dem ſogenannten Baron de la Vannière und
jenem Antoine, der in Vlaͤmerts Wachsfigurenkabinet
das blonde Kaͤthchen dem biedern Gatten wieder
zufuͤhrte, ... immer noch iſt genug uͤbrig geblieben
und vorhanden von unſerm ehrlichen, naturfrommen
Anton aus Liebenau, um daß er zwiſchen jenen Men-
ſchen ſich ausnehme, wie zwiſchen Dohlen und Raben
die weiße Taube. Die Jugendfriſche kindlicher Un-
ſchuld ſpricht freilich aus ſeinen Zuͤgen nicht mehr;
aber noch kuͤnden ſie ein reines, nur verirrtes Herz;
noch wecken ſie Vertrauen, fordern zu glaͤubiger
Freundſchaft auf. Und deshalb, — es iſt fuͤrchterlich
zu denken, — deshalb hielten die Spieler ihn werth.
Nicht etwa, um Geld von ihm zu gewinnen; darum
war es ihnen nicht. Wenn ſie ſchon nicht argwoͤhnen
konnten, Theodor am Wenigſten, es ſei des Letzteren
Kaſſe, aus welcher der Baron den Baron beziehe,
hatten ſie doch bald eingeſehen, bei ihm ſei nicht viel
zu holen. Folglich ſpielten ſie mit ihm gar nicht;
forderten ihn gar nicht dazu auf. Sie wollten nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0305" n="303"/>
        <p>Der Wohltha&#x0364;ter, Schmutzel, deren Ge&#x017F;ellen, auch<lb/>
Theodor wi&#x017F;&#x017F;en ihn &#x017F;ehr zu &#x017F;cha&#x0364;tzen. Er i&#x017F;t fu&#x0364;r ihre<lb/>
Zwecke von hohem Werth. Denn wie tief er auch<lb/>
&#x017F;chon ver&#x017F;unken, wie groß der Ab&#x017F;tand &#x017F;ein mag zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem &#x017F;ogenannten Baron de la Vanni<hi rendition="#aq">è</hi>re und<lb/>
jenem Antoine, der in Vla&#x0364;merts Wachsfigurenkabinet<lb/>
das blonde Ka&#x0364;thchen dem biedern Gatten wieder<lb/>
zufu&#x0364;hrte, ... immer noch i&#x017F;t genug u&#x0364;brig geblieben<lb/>
und vorhanden von un&#x017F;erm ehrlichen, naturfrommen<lb/>
Anton aus Liebenau, um daß er zwi&#x017F;chen jenen Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;ich ausnehme, wie zwi&#x017F;chen Dohlen und Raben<lb/>
die weiße Taube. Die Jugendfri&#x017F;che kindlicher Un-<lb/>
&#x017F;chuld &#x017F;pricht freilich aus &#x017F;einen Zu&#x0364;gen nicht mehr;<lb/>
aber noch ku&#x0364;nden &#x017F;ie ein reines, nur verirrtes Herz;<lb/>
noch wecken &#x017F;ie Vertrauen, fordern zu gla&#x0364;ubiger<lb/>
Freund&#x017F;chaft auf. Und deshalb, &#x2014; es i&#x017F;t fu&#x0364;rchterlich<lb/>
zu denken, &#x2014; deshalb hielten die Spieler ihn werth.<lb/>
Nicht etwa, um Geld von ihm zu gewinnen; darum<lb/>
war es ihnen nicht. Wenn &#x017F;ie &#x017F;chon nicht argwo&#x0364;hnen<lb/>
konnten, Theodor am Wenig&#x017F;ten, es &#x017F;ei des Letzteren<lb/>
Ka&#x017F;&#x017F;e, aus welcher der Baron den Baron beziehe,<lb/>
hatten &#x017F;ie doch bald einge&#x017F;ehen, bei ihm &#x017F;ei nicht viel<lb/>
zu holen. Folglich &#x017F;pielten &#x017F;ie mit ihm gar nicht;<lb/>
forderten ihn gar nicht dazu auf. Sie wollten nur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[303/0305] Der Wohlthaͤter, Schmutzel, deren Geſellen, auch Theodor wiſſen ihn ſehr zu ſchaͤtzen. Er iſt fuͤr ihre Zwecke von hohem Werth. Denn wie tief er auch ſchon verſunken, wie groß der Abſtand ſein mag zwi- ſchen dem ſogenannten Baron de la Vannière und jenem Antoine, der in Vlaͤmerts Wachsfigurenkabinet das blonde Kaͤthchen dem biedern Gatten wieder zufuͤhrte, ... immer noch iſt genug uͤbrig geblieben und vorhanden von unſerm ehrlichen, naturfrommen Anton aus Liebenau, um daß er zwiſchen jenen Men- ſchen ſich ausnehme, wie zwiſchen Dohlen und Raben die weiße Taube. Die Jugendfriſche kindlicher Un- ſchuld ſpricht freilich aus ſeinen Zuͤgen nicht mehr; aber noch kuͤnden ſie ein reines, nur verirrtes Herz; noch wecken ſie Vertrauen, fordern zu glaͤubiger Freundſchaft auf. Und deshalb, — es iſt fuͤrchterlich zu denken, — deshalb hielten die Spieler ihn werth. Nicht etwa, um Geld von ihm zu gewinnen; darum war es ihnen nicht. Wenn ſie ſchon nicht argwoͤhnen konnten, Theodor am Wenigſten, es ſei des Letzteren Kaſſe, aus welcher der Baron den Baron beziehe, hatten ſie doch bald eingeſehen, bei ihm ſei nicht viel zu holen. Folglich ſpielten ſie mit ihm gar nicht; forderten ihn gar nicht dazu auf. Sie wollten nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/305
Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 2. Breslau, 1852, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden02_1852/305>, abgerufen am 06.05.2024.