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Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852.

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hinter die Ohren geschlagen, so vortrefflich redeten
Sie und so fest war ich für den Augenblick in der
Täuschung befangen, ich befände mich in Paris und
Sie wären Einer von unsern Feinden. Nun, sehen
Sie, geht mein Wunsch dahin, Sie möchten, so lange
Sie sich in diesem Neste aufhalten, meiner Tochter
täglich einige Parlirstunden ertheilen; mit ihr schwaz-
zen und sie schwatzen machen, und ihr dabei sagen, wo
sie fehlt. Fordern Sie dafür, was Sie wollen;
ich werd' es erschwingen: die Sache ist mir zu
wichtig und eine solche Gelegenheit findet sich nicht
wieder."

Herr Rittmeister, sagte Anton, meine Forderung
kann gar nicht in Betracht kommen; ich bin reichlich
bezahlt durch Jhr Vertrauen und bin gern bereit,
ihm zu entsprechen. Auf einen langen Aufenthalt in
diesem kleinen Städtchen hatten wir freilich nicht
gerechnet. Seit gestern Abend jedoch scheint er sich
unerwartet verlängern zu wollen. Die Frau meines
Prinzipals ist gefährlich erkrankt, an Weiterreisen ist
nicht zu denken. Wer weiß, wie weit sich das hin-
auszieht. Jch werde folglich hier ohne Beschäfti-
gung sein und stehe immer zu Diensten.

"Es thut mir leid um Jhre Prinzipalin, doch da

hinter die Ohren geſchlagen, ſo vortrefflich redeten
Sie und ſo feſt war ich fuͤr den Augenblick in der
Taͤuſchung befangen, ich befaͤnde mich in Paris und
Sie waͤren Einer von unſern Feinden. Nun, ſehen
Sie, geht mein Wunſch dahin, Sie moͤchten, ſo lange
Sie ſich in dieſem Neſte aufhalten, meiner Tochter
taͤglich einige Parlirſtunden ertheilen; mit ihr ſchwaz-
zen und ſie ſchwatzen machen, und ihr dabei ſagen, wo
ſie fehlt. Fordern Sie dafuͤr, was Sie wollen;
ich werd’ es erſchwingen: die Sache iſt mir zu
wichtig und eine ſolche Gelegenheit findet ſich nicht
wieder.“

Herr Rittmeiſter, ſagte Anton, meine Forderung
kann gar nicht in Betracht kommen; ich bin reichlich
bezahlt durch Jhr Vertrauen und bin gern bereit,
ihm zu entſprechen. Auf einen langen Aufenthalt in
dieſem kleinen Staͤdtchen hatten wir freilich nicht
gerechnet. Seit geſtern Abend jedoch ſcheint er ſich
unerwartet verlaͤngern zu wollen. Die Frau meines
Prinzipals iſt gefaͤhrlich erkrankt, an Weiterreiſen iſt
nicht zu denken. Wer weiß, wie weit ſich das hin-
auszieht. Jch werde folglich hier ohne Beſchaͤfti-
gung ſein und ſtehe immer zu Dienſten.

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[201/0205] hinter die Ohren geſchlagen, ſo vortrefflich redeten Sie und ſo feſt war ich fuͤr den Augenblick in der Taͤuſchung befangen, ich befaͤnde mich in Paris und Sie waͤren Einer von unſern Feinden. Nun, ſehen Sie, geht mein Wunſch dahin, Sie moͤchten, ſo lange Sie ſich in dieſem Neſte aufhalten, meiner Tochter taͤglich einige Parlirſtunden ertheilen; mit ihr ſchwaz- zen und ſie ſchwatzen machen, und ihr dabei ſagen, wo ſie fehlt. Fordern Sie dafuͤr, was Sie wollen; ich werd’ es erſchwingen: die Sache iſt mir zu wichtig und eine ſolche Gelegenheit findet ſich nicht wieder.“ Herr Rittmeiſter, ſagte Anton, meine Forderung kann gar nicht in Betracht kommen; ich bin reichlich bezahlt durch Jhr Vertrauen und bin gern bereit, ihm zu entſprechen. Auf einen langen Aufenthalt in dieſem kleinen Staͤdtchen hatten wir freilich nicht gerechnet. Seit geſtern Abend jedoch ſcheint er ſich unerwartet verlaͤngern zu wollen. Die Frau meines Prinzipals iſt gefaͤhrlich erkrankt, an Weiterreiſen iſt nicht zu denken. Wer weiß, wie weit ſich das hin- auszieht. Jch werde folglich hier ohne Beſchaͤfti- gung ſein und ſtehe immer zu Dienſten. „Es thut mir leid um Jhre Prinzipalin, doch da

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Zitationshilfe: Holtei, Karl von: Die Vagabunden. Bd. 3. Breslau, 1852, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holtei_vagabunden03_1852/205>, abgerufen am 18.05.2024.