Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

Bild:
<< vorherige Seite
Was half's, daß ich klagend
Die Gassen durchlief
Und mitleidverzagend
"Hier Rosen!" ausrief?
"Hier Rosen, o Rosen!
Wer kauft einen Strauß?"
Doch die Herren Studiosen
Lachten mich aus!
Und keiner, keiner ....
Daß Gott erbarm!
O unsereiner
Ist gar zu arm!
Mir wanken die Kniee, mein Herzblut gerinnt --
O Gott, mein Kind, mein armes Kind!
In stockdunkler Kammer,
Verhungert, verthiert!
Schon packt mich der Jammer:
"Ach Muttchen, mich friert!
Ach bitte, bitte
Ein Stückchen Brot!"
Mir ist es, als litte
Ich gleich den Tod!
Mir ist es, als müßte
Ich schreien: "Fluch!" --
O daß ich dich küßte
Durchs Leichentuch!
Dann wär es vorbei und sie scharrten dich ein
Und ich trüg es allein, o Gott, allein ....!

Was half's, daß ich klagend
Die Gaſſen durchlief
Und mitleidverzagend
„Hier Roſen!“ ausrief?
„Hier Roſen, o Roſen!
Wer kauft einen Strauß?“
Doch die Herren Studioſen
Lachten mich aus!
Und keiner, keiner ....
Daß Gott erbarm!
O unſereiner
Iſt gar zu arm!
Mir wanken die Kniee, mein Herzblut gerinnt —
O Gott, mein Kind, mein armes Kind!
In ſtockdunkler Kammer,
Verhungert, verthiert!
Schon packt mich der Jammer:
„Ach Muttchen, mich friert!
Ach bitte, bitte
Ein Stückchen Brot!“
Mir iſt es, als litte
Ich gleich den Tod!
Mir iſt es, als müßte
Ich ſchreien: „Fluch!“ —
O daß ich dich küßte
Durchs Leichentuch!
Dann wär es vorbei und ſie ſcharrten dich ein
Und ich trüg es allein, o Gott, allein ....!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0117" n="95"/>
            <lg n="2">
              <l rendition="#et">Was half's, daß ich klagend</l><lb/>
              <l rendition="#et">Die Ga&#x017F;&#x017F;en durchlief</l><lb/>
              <l rendition="#et">Und mitleidverzagend</l><lb/>
              <l rendition="#et">&#x201E;Hier Ro&#x017F;en!&#x201C; ausrief?</l><lb/>
              <l rendition="#et">&#x201E;Hier Ro&#x017F;en, o Ro&#x017F;en!</l><lb/>
              <l rendition="#et">Wer kauft einen Strauß?&#x201C;</l><lb/>
              <l rendition="#et">Doch die Herren Studio&#x017F;en</l><lb/>
              <l rendition="#et">Lachten mich aus!</l><lb/>
              <l rendition="#et">Und keiner, keiner ....</l><lb/>
              <l rendition="#et">Daß Gott erbarm!</l><lb/>
              <l rendition="#et">O un&#x017F;ereiner</l><lb/>
              <l rendition="#et">I&#x017F;t gar zu arm!</l><lb/>
              <l>Mir wanken die Kniee, mein Herzblut gerinnt &#x2014;</l><lb/>
              <l>O Gott, mein Kind, mein armes Kind!</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l rendition="#et">In &#x017F;tockdunkler Kammer,</l><lb/>
              <l rendition="#et">Verhungert, verthiert!</l><lb/>
              <l rendition="#et">Schon packt mich der Jammer:</l><lb/>
              <l rendition="#et">&#x201E;Ach Muttchen, mich friert!</l><lb/>
              <l rendition="#et">Ach bitte, bitte</l><lb/>
              <l rendition="#et">Ein Stückchen Brot!&#x201C;</l><lb/>
              <l rendition="#et">Mir i&#x017F;t es, als litte</l><lb/>
              <l rendition="#et">Ich gleich den Tod!</l><lb/>
              <l rendition="#et">Mir i&#x017F;t es, als müßte</l><lb/>
              <l rendition="#et">Ich &#x017F;chreien: &#x201E;Fluch!&#x201C; &#x2014;</l><lb/>
              <l rendition="#et">O daß ich dich küßte</l><lb/>
              <l rendition="#et">Durchs Leichentuch!</l><lb/>
              <l>Dann wär es vorbei und &#x017F;ie &#x017F;charrten dich ein</l><lb/>
              <l>Und ich trüg es allein, o Gott, allein ....!</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0117] Was half's, daß ich klagend Die Gaſſen durchlief Und mitleidverzagend „Hier Roſen!“ ausrief? „Hier Roſen, o Roſen! Wer kauft einen Strauß?“ Doch die Herren Studioſen Lachten mich aus! Und keiner, keiner .... Daß Gott erbarm! O unſereiner Iſt gar zu arm! Mir wanken die Kniee, mein Herzblut gerinnt — O Gott, mein Kind, mein armes Kind! In ſtockdunkler Kammer, Verhungert, verthiert! Schon packt mich der Jammer: „Ach Muttchen, mich friert! Ach bitte, bitte Ein Stückchen Brot!“ Mir iſt es, als litte Ich gleich den Tod! Mir iſt es, als müßte Ich ſchreien: „Fluch!“ — O daß ich dich küßte Durchs Leichentuch! Dann wär es vorbei und ſie ſcharrten dich ein Und ich trüg es allein, o Gott, allein ....!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/117
Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/117>, abgerufen am 29.04.2024.