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Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886.

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Da stand ich denn nun am Waldesrande
Mit meinen Gedanken so ganz allein
Und sah tief unter mir die Lande
Liegen im flimmernden Sonnenschein.
Und als dann den letzten Zweifel zu rauben,
Ein Schäfer noch blies auf seiner Schalmei,
Da wollte ich es selbst nicht glauben,
Daß Tod die Lösung des Räthsels sei.
Da schien mir alles verweht und vergangen,
Was ich betrauerte winterlang;
Und alle Saiten des Herzens klangen
Zusammen im Auferstehungsgesang.
O, solche Seelenklänge dringen
Weit höher noch in die Himmel empor,
Als je auf seinen Flatterschwingen
Ein Vogel sich in der Luft verlor!
Ja, Fest der Ostern, nun warst du gezogen
Auch endlich in diese verödete Brust;
Und dies Herz, das so oft schon das Leben betrogen,
Erzitterte wieder von süßer Lust
Und schlägt nun der hohen Feier entgegen,
Die über die Erde zu gießen verheißt
Den herrlichsten aller himmlischen Segen,
Den welterlösenden, heiligen Geist.
Da ſtand ich denn nun am Waldesrande
Mit meinen Gedanken ſo ganz allein
Und ſah tief unter mir die Lande
Liegen im flimmernden Sonnenſchein.
Und als dann den letzten Zweifel zu rauben,
Ein Schäfer noch blies auf ſeiner Schalmei,
Da wollte ich es ſelbſt nicht glauben,
Daß Tod die Löſung des Räthſels ſei.
Da ſchien mir alles verweht und vergangen,
Was ich betrauerte winterlang;
Und alle Saiten des Herzens klangen
Zuſammen im Auferſtehungsgeſang.
O, ſolche Seelenklänge dringen
Weit höher noch in die Himmel empor,
Als je auf ſeinen Flatterſchwingen
Ein Vogel ſich in der Luft verlor!
Ja, Feſt der Oſtern, nun warſt du gezogen
Auch endlich in dieſe verödete Bruſt;
Und dies Herz, das ſo oft ſchon das Leben betrogen,
Erzitterte wieder von ſüßer Luſt
Und ſchlägt nun der hohen Feier entgegen,
Die über die Erde zu gießen verheißt
Den herrlichſten aller himmliſchen Segen,
Den welterlöſenden, heiligen Geiſt.
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[184/0206] Da ſtand ich denn nun am Waldesrande Mit meinen Gedanken ſo ganz allein Und ſah tief unter mir die Lande Liegen im flimmernden Sonnenſchein. Und als dann den letzten Zweifel zu rauben, Ein Schäfer noch blies auf ſeiner Schalmei, Da wollte ich es ſelbſt nicht glauben, Daß Tod die Löſung des Räthſels ſei. Da ſchien mir alles verweht und vergangen, Was ich betrauerte winterlang; Und alle Saiten des Herzens klangen Zuſammen im Auferſtehungsgeſang. O, ſolche Seelenklänge dringen Weit höher noch in die Himmel empor, Als je auf ſeinen Flatterſchwingen Ein Vogel ſich in der Luft verlor! Ja, Feſt der Oſtern, nun warſt du gezogen Auch endlich in dieſe verödete Bruſt; Und dies Herz, das ſo oft ſchon das Leben betrogen, Erzitterte wieder von ſüßer Luſt Und ſchlägt nun der hohen Feier entgegen, Die über die Erde zu gießen verheißt Den herrlichſten aller himmliſchen Segen, Den welterlöſenden, heiligen Geiſt.

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Zitationshilfe: Holz, Arno: Das Buch der Zeit. Lieder eines Modernen. Zürich, 1886, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/holz_buch_1886/206>, abgerufen am 06.05.2024.